1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Denkmalschutz: Denkmalschutz: Größte Glocke des Erfurter Doms geht auf die Reise

Denkmalschutz Denkmalschutz: Größte Glocke des Erfurter Doms geht auf die Reise

05.07.2004, 06:23
Neben der weltbekannten Glocke des Erfurter Doms, der «Gloriosa», wird Anfang Juli in Erfurt die Schall-Luke in der Westfassade des Glockenturms erweitert, um eine Öffnung für die Glocke zu schaffen. (Foto: dpa)
Neben der weltbekannten Glocke des Erfurter Doms, der «Gloriosa», wird Anfang Juli in Erfurt die Schall-Luke in der Westfassade des Glockenturms erweitert, um eine Öffnung für die Glocke zu schaffen. (Foto: dpa) dpa

Erfurt/dpa. - Grund für den Ausbau der «Ruhmreichen» ist ein acht Zentimeterlanger Haarriss an ihrem unteren Glockenrand. «Eine Glocke hat nichtdas ewige Leben, irgendwann wird sie spröde», erklärt Gold. IhrKlang, der 317 Sekunden nachhallt, sei seit längerem etwas«scherbelnd» gewesen. Gold entschied sich für ein Verfahren, das ihmwegen der vielen Unwägbarkeiten zunächst utopisch erschien - dieReparatur in einer weit entfernten Schweißerei. Dort seien jedochdie Bedingungen ideal und die historische Glockenstube könnegeschont werden. Rund 170 000 Euro werde die einmalige Aktionkosten. Viele Bürger und auch das Thüringer Justizministeriumspendeten dafür.

Zu Fuß sind es 177 Stufen bis zur alten Dame, die der MeisterGerhard Wou im ausgehenden Mittelalter gegossen hat. In diesen Tagenhaben nur die Handwerker Zugang zu ihr. Vor den Arbeiten konntenBesucher bei seltenen Führungen Details wie das Madonnenbild oderdie Kronbügel betrachten. «Früher haben Leute sogar ihre Namen indie Gloriosa eingeritzt», erzählt Peter Weidemann, der Sprecher desBistums Erfurt.

Die Eingriffe an der Fassade des Turms sind von unten schon zusehen. Die gotische Fensteröffnung, hinter der die Glocke in 37Metern Höhe hängt, haben Handwerker ausgeschnitten und dasumliegende Mauerwerk der Silhouette der Glocke angepasst. Eine amTurm befestigte Konsole ragt in den Himmel. Auf ihr wird die«Gloriosa» am 8. Juli über einen speziell angefertigtenTransportwagen geschoben. Ein 250-Tonnen-Kran fasst sie dann mitNylonbändern an ihren Kronbügeln, schwenkt sie über das Langhaus inRichtung Westen und hebt sie langsam zur Erde auf einen Tieflader.

Für die einstündige Aktion wäre Windstille ein göttlichesGeschenk. Noch schwankt der Leiter des Dombauamtes, ob ein zweiterKran als Sicherheit nötig sein wird. Die Verantwortung tragen nebenDombaumamt auch die beteiligten Unternehmen wie die Firma Bennertaus Hopfgarten, die die Logistik plant. Noch müssen Treppen auf demPlatz vor dem Domeingang gekürzt werden, damit der große Lastkrangenügend Spielraum haben wird.

Bis September wird Glockenschweißer Thomas Lachenmeyer imbayerischen Nördlingen an der «Gloriosa» feilen. Sein Vater Hanshatte schon 1984 die berühmte Glocke repariert, damals oben imErfurter Glockenstuhl. «Mich hätte es gefreut, wenn die Glockeweiter geläutet hätte. Der Aufwand wird im Laufe der Jahre immergrößer», sagt Hans Lachenmeyer heute.

Wenn der Riss der «Gloriosa» mit Bronze gefüllt ist, kann sie indie Glockenstube nach Erfurt zurück kehren. Am 8. Dezember, nacheinem Dreivierteljahr Schweigen, soll ihr besonderer E-Ton dannerneut über die Stadt erschallen. Andreas Gold erwartet nach der«Verjüngungskur» einen anderen, noch schöneren Klang als zuvor. Auchdie Farbe der Glocke werde dann eine andere sein. Das jetzigeDunkelgrün verwandele sich durch die chemischen Prozesse beimSchweißen in ein glänzendes Hellbraun.