Debatte um DDR-Kunst Debatte um DDR-Kunst: Will Albertinum Dresden Ost-Kunst abhängen?

Dresden - Ist im Dresdner Albertinum - einst Schauplatz der legendären und massenhaft besuchten „Kunstausstellungen der DDR“ - die Ost-Kunst abgehängt, ja „entsorgt“ worden?
„Mit brachialer Geste“ gar von der Direktorin Hilke Wagner, der „ehemaligen Leiterin des Braunschweiger Kunstvereins und gänzlich ohne Museumserfahrung“?
So viel Zunder hat es schon länger nicht mehr gegeben in der verminten Debatte um DDR-Kunst. Aber der Dresdner Kunsthistoriker Paul Kaiser, Spezialist vor allem der dissidentischen Ost-Szene, ahnte wohl, was er damit lostreten würde.
Debatte um DDR-Kunst in Dresden: Konstruktivist Karl-Heinz Adler hervorgehoben
Zum Verständnis ist vorauszuschicken, dass unter Hilke Wagner seit ihrem Amtsantritt 2014 die DDR-Malerei durchaus nicht abgehängt wurde. Sie hat die langjährig ausgestellten Bestände durch einige weniger bekannte ersetzt und die Räume um zeitgenössische Kunst erweitert.
In ihrer Antwort auf Paul Kaisers Polemik nannte sie die Zahl von 72 Werken ostdeutscher Herkunft in den Schauräumen insgesamt und hob den mit Dresden eng verbundenen, 1927 geborenen Konstruktivisten Karl-Heinz Adler hervor, der nun beispielhaft für die „eigenständige Subkultur“ Dresdner Prägung stehe, die bisher vernachlässigt war.
Doch Paul Kaisers süffisanter Hinweis auf die West-Herkunft der Gescholtenen war sicher Teil einer Absicht, zu einer Zeit, da die Aufregung groß ist um die Debatte um West-Eliten im „kolonialisierten“ Osten.
DDR-Kunst im Albertinum Dresden: Blick auf Ost-Kunst in Potsdam, Leipzig und Halle
Sofern diese etwas beiträgt zur Debatte um die Kunst der DDR-Zeit, geht es nicht ironiefrei ab: Dem „Wertewandel“ mittels „brüsker Abhängung“ seitens der Braunschweigerin in Dresden steht aktuell der Kassenschlager im Potsdamer Museum Barberini gegenüber, wo Mäzen Hasso Plattner aus Berlin-Grunewald mit Kurator Michael Philipp aus Hamburg nicht nur 100 Werke von 80 Ost-Künstlern, sondern auch die 16 „Kommunisten-Träume“ aus dem Palast der Republik in museal noblem Ambiente zeigen.
Und in Leipzig plant der neue Direktor, der Österreicher Alfred Weidinger, eine Dauerausstellung der Superlative zur Leipziger Schule - auf 1.500 Quadratmetern mit eigenen Beständen aller Genres.
Wenn dann noch Halles Moritzburg-Chef Thomas Bauer-Friedrich ankündigt, im März 2018 die DDR-Dauerausstellung auf immerhin 400 Quadratmetern neu zu präsentieren, so hat man es hier mit einem in Dessau geborenen Museumsmann zu tun, der beim Mauerfall 13 Jahre alt war - womit die Frage der emotionalen Identifikation mit dem Thema also eine ganz eigene Nuance erhält.
Diskussion über DDR-Kunst in Dresden: Verknüpft mit Zeitzeugenschaft, Erinnerungen und Lokalstolz
Ohne Hinweis auf Emotionen kommt kein Beitrag über Ost-Kunst aus. Sie helfen zu erklären, dass an die 600 Leute der Einladung der Staatlichen Kunstsammlungen zur Diskussion folgten, die angesichts des Medienechos im weiträumigen Lichthof des Albertinums stattfand.
Auch wenn es dann bemerkenswert gesittet zuging, so kamen unvermeidlich die zu Wort, die von Zeitzeugenschaft, Erinnerungen und Lokalstolz sprachen.
Oder es ausdrückten wie der Impulsgeber Paul Kaiser selbst, der eigentlich zur späten Generation der Dissidenten gehört: „Ich will mit den Künstlern in Kontakt kommen, die ich schätze.“
Albertinum Dresden: Vielfältige Zusammenhänge zwischen Kunst und DDR
Doch die seien nun nicht zu sehen, wobei er Altmeister wie Bernhard Kretzschmar oder Wilhelm Rudolph genauso meinte wie etwa den unangepassten Eberhard Göschel.
Doch aus der Diskussion gingen Stichworte hervor, die deutlich machen, wie facettenreich das Thema ist. Das fängt mit sachlichen Voraussetzungen an: die Knappheit an Raum, die Breite der Sammlungsprofile, die Stellenpläne.
Es geht aber viel mehr um die Zusammenhänge, die sich zwischen „Kunst“ und „DDR“ ergeben. Muss ein Museum bestimmte Quasi-Ikonen vorhalten, gibt es einen unverzichtbaren Kanon? Trägt der dann Namen wie Mattheuer oder Tübke oder gehören die Dissidenten dazu, die Abweichler?
Ost-Kunst im Dresdner Albertinum: Wird ein Schaudepot geöffnet?
Und muss man auch die zeigen, die weggingen? Erst recht jene, die blieben und nicht ausstellen durften? Muss man die Kunstproduktion der DDR in einen internationalen Kontext stellen, muss man die parallelen Entwicklungen der Ostblockländer in Beziehung setzen?
Im Albertinum, so sieht es derzeit aus, will man keinen „Kanon“ und nimmt, sagt Kaiser „dafür Abhängungen in Kauf“ – beziehungsweise lädt mit häufigen Wechseln dazu ein, „öfter zu kommen“ (Hilke Wagner).
Ob nun der Ruf nach den alten Bekannten dazu führt, dass ein Schaudepot geöffnet wird, steht als Möglichkeit im Raum. Also Wände im Keller, behängt in zwei und drei Etagen – fast so, welch Ironie, wie in der berüchtigten Weimarer „Schand“-Ausstellung von DDR- und NS-Kunst von 1999, nur ohne Müllsack-Planen.
Dem Thema DDR-Kunst ist mit einer einzigen gültigen Lösung wohl nicht beizukommen. Ihre historisch-politische Dimension schwingt immer mit und wird neben dem Qualitäts-Aspekt immer eine Rolle spielen.
(mz)