Karusseit, Werner, Domröse DDR-Schauspielerinnen: Was machen Ursula Karusseit, Ursula Werner, Angelica Domröse heute?

Berlin/Halle (Saale) - Wie überall auf der Welt lebte auch der Film in der DDR vor allem von seinen schönen, starken und humorvollen Darstellerinnen. Sie waren die Heldinnen ganzer Generationen im Osten. Millionen bestaunten sie auf der Kinoleinwand und im Fernsehen.
Mit dem Ende der DDR begann genau wie für jeden Normal-Bürger auch für viele der alten, weiblichen Ost-Stars der Umbruch. Wie haben sie den verkraftet? Wir haben nachgeforscht, was die Stars des Ostens heute machen.
Katrin Sass heute: Mit Mehrteiler „Weissensee“ zurück im TV
Bevor Katrin Sass die Schauspielkunst erlernte, machte sie eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Fernsprechverkehr. Im Jahr 1979 gab sie mit 23 Jahren ihr Filmdebüt mit der Hauptrolle in dem kritischen Film "Bis dass der Tod Euch scheidet". Darauf folgte "Die Verlobte". Bereits 1981 wurde sie für ihre Darstellung in dem Film "Bürgschaft für ein Jahr", den sie noch während ihrer Studienzeit drehte, auf der Berlinale 1982 in West-Berlin mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet.
Ab Mitte der 1980er Jahre war sie in zahlreichen DEFA-Filmen zu sehen, wurde 1987 in der DDR zur Schauspielerin des Jahres gekürt und galt als eine der populärsten Darstellerinnen in der DDR. Dann kam die Wende: Mit Ausnahme der Fernsehreihe "Polizeiruf 110", in der Sass von 1993 bis 1998 als Hauptkommissarin Tanja Voigt auftrat, hatte sie in den 1990er Jahren kaum Film- und Fernsehengagements, trat vor allem im Theater auf.
Mit den Hauptrollen im Sozialdrama "Heidi M." (2001) und im internationalen Publikumserfolg "Good Bye, Lenin!" (2003) konnte sie ihr Comeback auf der Kinoleinwand feiern. Seitdem ist Sass wieder regelmäßig im TV und im Kino zu sehen. Unter anderem spielte sie eine tragende Rolle in den ersten drei Staffeln der Serie Weissensee. (Hier bei Amazon kaufen.)
Ursula Werner feierte Comeback mit „Wolke 9“ von Andreas Dresen
Die Prenzelbergerin, die in Eberswalde geboren wurde, erlernte erst den Tischlerberuf, bevor sie Schauspiel an der späteren Schauspielschule "Ernst Busch" studierte. Ursula Werner war von 1974 bis 2009 festes Ensemblemitglied am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Dort spielte sie unter Regisseuren wie Armin Petras, Thomas Langhoff, Katharina Thalbach und vielen anderen.
In der DDR wirkte sie in vielen bekannten DEFA-Filmen mit, unter anderem in „Frau Venus und ihr Teufel“ (1967) und der Fontane-Adaption „Frau Jenny Treibel“ (1970). Besonders ihre Rolle als Doktorin Unglaube in der Komödie „Ein irrer Duft von frischem Heu" bleibt in Erinnerung.
Mit der Wende 1989 kommt der berufliche Einschnitt: Wie bei vielen ihrer Kolleginnen klafft auch hier in filmischer Hinsicht ein riesiges Loch zwischen den Jahren 1990 und 2000. In den Folgejahren stand sie als Frau Mell in einer ständigen Nebenrolle in der Serie Schloss Einstein vor der Kamera und spielte mehrere kleinere Rollen in Film und Fernsehen.
Im Jahr 2008 erhielt Werner weitreichende internationale Anerkennung für ihre Darstellung der Inge in „Wolke 9“ (2008) von Andreas Dresen, für die sie unter anderem mit einem Bambi, dem Bayerischen Filmpreis, einer Nominierung als Beste Europäische Schauspielerin 2008 und dem „Coup de Coeur“ in Cannes ausgezeichnet wurde. Seitdem sieht man sie wieder regelmäßig in Filmen und im Theater.
Angelica Domröse privat: Buch über Alkohol-Sucht veröffentlicht
Angelica Domröse wuchs in Berlin auf und wurde 1958 nach ihrer Ausbildung zur Stenotypistin bei einem Castings für den Film "Verwirrung der Liebe" entdeckt. Sie besuchte bis 1961 die Hochschule für Film und Fernsehen, gehörte bis 1966 dem Berliner Ensemble an und machte jährlich mindestens einen Film. Nach dem Durchbruch mit der "Legende von Paul und Paula" 1973 wurde sie noch viel öfter engagiert.
Das änderte sich jedoch, als sie 1976 den Protestbrief gegen die Ausbürgerung von Liedermacher und Systemkritiker Wolf Biermann unterzeichnete. Die Arbeit wurde ihr nun zusehends schwer gemacht. Wie auch ihr Kollege Glatzeder siedelte Angelica Domröse 1980 in die BRD über und spielte dort hauptsächlich an Theatern aber auch in vielen Fernsehserien, glänzte in anspruchsvollen Filmrollen.
Seit den 2000er Jahren ist es filmisch ruhig um sie geworden. Jedoch erschien zu Beginn des neuen Jahrtausends ihre Autobiografie „Ich fang mich selbst ein“, in der Domröse offen zu ihrer jahrelangen Alkoholsucht, die sie überwinden konnte, Stellung bezieht (Hier bei Amazon kaufen). 2012 war sie nach zehnjähriger Filmabstinenz in dem Streifen "Bis zum Horizont, dann links!" zu sehen.
Christine Schorn: Die Wende brachte für sie keinen Einbruch
Christine Schorn, Jahrgang 1944, wurde als Tochter eines Schauspieler-Ehepaars geboren und entschließt sich früh, in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten. Sie wird jedoch an der Schauspielschule als zu jung abgelehnt und muss sich als Verkäuferin und Wäscherin durchschlagen, bevor sie 1961 im zweiten Anlauf an der Staatlichen Schauspielschule in Ost-Berlin angenommen wird. 1964 wird sie direkt am Deutschen Theater engagiert, wo sie bis heute spielt.
Auch im Fernsehen ist Christine Schorn früh erfolgreich und erhält bereits 1968 den Nationalpreis der DDR für ihre Rolle als Ingenieurin in "Zeit ist Glück". Ihre Kinolaufbahn beginnt 1971, profilieren kann sie sich mit Hauptrollen in "Nachtspiele" (1978) und "Heute Abend und morgen früh" (1979). Für ihr Spiel in die "Die Beunruhigung" (1981) und "Eine sonderbare Liebe" (1984) erhält Schorn auf dem Spielfilmfestival der DDR den Darstellerpreis.
Die Wende bringt für Christine Schorn keinen Einbruch, sie ist auch danach in zahlreichen TV- und Kinorollen zu sehen. Für ihre Rolle in der satirischen TV-Miniserie "Wir sind auch nur ein Volk" (1994) wird sie für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Mit dem Deutschen Filmpreis wird Schorn für ihr Spiel als Mutter dreier erwachsener Töchter in der Tragikomödie "Frei nach Plan" ausgezeichnet.
Weiter geht es mit Jutta Hoffmann, Ursula Karusseit, Gurdrun Ritter, Renate Blume, Renate Krößner und Marijam Agischewa.
Jutta Hoffmann (geb. 1941 in Halle) gehörte zu den bekanntesten Schauspielerinnen der DDR. Sofort nach dem Abitur studierte sie bis 1962 an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg. Hoffmann konnte sowohl im Theater als auch im Film große Erfolge feiern. Sie beeindruckte auf der Leinwand durch ihre große Ausdrucksfähigkeit. Mit dem Kinofilm "Der Dritte" (1972), der auf den Filmfestivals in Karlovy Vary und Venedig ausgezeichnet wurde, erlangte sie internationalen Ruhm. Die DDR ehrte Hoffmann mit dem „Nationalpreis“, die Bundesrepublik mit dem Deutschen Kritikerpreis.
Von 1993 bis 2006 arbeitete sie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg als Professorin für darstellende Kunst. Seit 12. April 2011 hat Jutta Hoffmann einen Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin. Im Jahr 2015 hatte sie einen letzten Fernsehauftritt im Familiendrama "Ein Teil von uns".
Ursula Karusseit Publikumsliebling in der MDR-Erfolgsserie „In aller Freundschaft“
Ursula Karusseit (1939) gehörte in ihren Jahren an der Volksbühne Berlin zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des DDR-Theaters. Sie spielte jedoch auch in mehr als 50 Filmen mit. Nach der Vertreibung aus Ostpreußen wuchs Karusseit in Parchim (Bezirk Schwerin, heute wieder Mecklenburg-Vorpommern) auf und arbeitete als Stenotypistin, bevor sie in Berlin-Schöneweide zur Schauspielerin ausgebildet wurde. Sie wurde am Deutschen Theater, dem Maxim-Gorki-Theater und später an der Volksbühne engagiert.
Ihr Filmdebüt gab Ursula Karusseit 1963. Mit ihrer Darstellung in dem TV-Mehrteiler "Wege übers Land" erlangte sie bis über die Grenzen der DDR hinaus große Popularität. Bekannt wurde sie außerdem durch Filme wie das antifaschistische Filmepos über die Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen.
Nachdem Karusseit seit der Wende in nur einer Handvoll Filme mitgewirkt hatte, war sie allein im vergangenen Jahr in vier Produktionen zu sehen. Zudem ist sie seit Jahren Publikumsliebling in der MDR-Erfolgsserie "In aller Freundschaft", lehrt gelegentlich an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Babelsberg und tourt mit dem Programm "Jazz, Lyrik, Prosa" durch die deutschsprachige Welt.
Gudrun Ritter kehrte 2010 in Matti Geschonnecks „Boxhagener Platz“ zurück ins Kino
Die Erzgebirglerin Gudrun Ritter (1936) studiert Schauspiel an der Theaterhochschule in Leipzig und wird anschließend am Deutschen Theater in Berlin, dessen Ensemble sie noch immer angehört, engagiert. Auch am Berliner Ensemble steht sie noch immer auf der Bühne. Obwohl sie in erster Linie ihrer Theaterarbeit verpflichtet bleibt, wirkt sie seit Mitte der 1970er Jahre in verschiedenen Nebenrollen regelmäßig auch in Kino- und Fernsehproduktionen mit, etwa in Heiner Carows Homosexuellen-Epos "Coming Out" von 1989.
In den Folgejahren steht sie - vermutlich wendebedingt - nur selten vor der Kamera, was sich aber seit der Jahrtausendwende wieder geändert hat. Sie spielt jährlich in mehreren Filmen mit. 2006 wird Ritter für ihre Rolle in "Bella Block - Das Glück der anderen" für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. 2010 war sie nach vielen Jahren wieder in einer Kino-Hauptrolle zu sehen: In Matti Geschonnecks Kiez-Komödie "Boxhagener Platz" spielt sie eine fünffache Witwe, die zusammen mit ihrem Enkel in einen mysteriösen Mordfall verwickelt wird. In Folgejahr wirkt sie sogar in einer Hollywood-Produktion mit: "Wer ist Hanna?".
Renate Blume 2011 in „Der Besuch der Alten Dame“ beim Schauspielensemble Klassik am Meer
Renate Blume (1944) wuchs in Dresden auf und sollte ursprünglich Ärztin werden, studierte jedoch an der Staatlichen Schauspielschule in Schöneweide. Noch während ihrer Studienzeit erlangte sie eine gewisse Berühmtheit durch ihre Hauptrolle in Konrad Wolfs international erfolgreichen DEFA-Film "Der geteilte Himmel" (nach Christa Wolfs gleichnamigen Roman). Daraufhin glänzte Blume in vielen Theater-Stücken, spielte unzählige Rollen (meistens den Frauentyp "selbstbewusst und attraktiv") im Fernsehen und im Film.
Sie ist die schönste Indianerin der DDR, die sich in "Ulzana" alias Gojko Mitic, den schönsten Indianer des Sozialismus, verliebt - beruflich und privat. Auch der einzige Wahl-Cowboy des Ostens, Dean Reed, kann ihr nicht widerstehen. Blume wird seine dritte Ehefrau, beide avancieren zum Glamour-Paar des Arbeiter- und Bauernstaates.
Nach der Wende war Blume nur noch in einigen wenigen Filmen und Fernsehserien zu sehen, das Theater wurde für sie wieder zunehmend wichtiger. Seit 2008 stand die inzwischen über Siebzigjährige gar nicht mehr vor der Kamera, war aber 2011 in Dürrenmatts „Der Besuch der Alten Dame“ beim Schauspielensemble Klassik am Meer zu sehen.
Renate Krößner teilte sich in „Küss mich, Genosse“ Hauptrolle mit Josefine Preuß
Renate Krößner, 1945 im Harz geboren, ist "Solo Sunny" (1980). An ihrer Rolle in dem gleichnamigen Konrad-Wolf-Film wird sie immer wieder gemessen, an sie erinnern sich Hunderttausende von Zuschauern. Für ihre Darstellung erhielt sie den Silbernen Bär bei der Berlinale. Nach dem Besuch der Staatlichen Schauspielschule Berlin folgen langjährige Engagements auf ostdeutschen Provinzbühnen, aber auch erste Fernsehrollen, unter anderem in dem mehrere Jahre verbotenen Film "Feuer unter Deck" mit Manfred Krug und "Bis dass der Tod Euch scheidet".
Nach mehreren Ausreiseanträgen durfte sie 1985 schließlich nach Westberlin übersiedeln, bekommt in ihrer neuen Heimat seit den späten Achziger Jahren regelmäßig Rollen und tritt immer wieder in deutschen Krimiserien auf, etwa im "Tatort", später auch im "Polizeiruf 110".
Im vereinigten Deutschland gilt Renate Krößner inzwischen als gestandene Charakterdarstellerin, die für ihre schauspielerischen Leistungen mehrfach ausgezeichnet wurde. Im Film "Küss mich, Genosse" teilt sich Krößner die Hauptrolle mit Josefine Preuß. Darüber hinaus ist sie gelegentlich auch in Werbespots zu sehen.
Marijam Agischewa heute Heilpraktikerin für Psychotherapie in Berlin
Als Tochter einer Tatarin und eines Diplomaten aus Österreich wird Marijam Agischewa 1958 in China geboren, verbringt ihre Jugend dann in Ost-Berlin. Regisseur Wolfgang Hübner castete sie bereits mit 16 Jahren für die Hauptrolle in dem Fernsehfilm Geschwister. Anschließend studiert Agischewa an der Staatlichen Schauspielschule "Ernst Busch" in Schöneweide, um danach die Hauptrolle in Marta, Marta zu übernehmen. Dafür erhielt sie den Filmpreis des Jugendmagazins Neues Leben und wurde zur beliebtesten Schauspielerin der DDR gewählt.
Seitdem gehörte sie zum Ensemble des Fernsehens der DDR und spielte in mehr als 30 Filmen und Serien (Treffpunkt Flughafen) mit. Allerdings wird Agischewa mit den Jahren immer unzufriedener und flüchtet schließlich nur wenige Monate vor dem Zusammenbruch der DDR nach West-Berlin.
Zur Begründung sagt sie später: "Was nützt einem aller Erfolg, wenn man das Gefühl hat, künstlerisch stehenzubleiben. Ich habe drüben in rund 40 Produktionen mitgespielt. Je kritischer die politische Situation wurde, desto weiter entfernten sich die Filme von der Wirklichkeit. Da hat mir das Drehen keinen Spaß mehr gemacht."
Nach der Wende wirkte sie weiterhin in zahlreichen Filmen und Fernsehserien (Wolffs Revier, Das Traumschiff, Freunde fürs Leben, Dr. Sommerfeld - Neues vom Bülowbogen) mit, aber nicht mehr mit der Regelmäßigkeit früherer Jahre. Neben ihrer Tätigkeit als Synchronsprecherin arbeitet sie als Heilpraktikerin für Psychotherapie in Berlin. (mz)