DDR-Prestigebau DDR-Prestigebau: Der Berliner Fernsehturm wird 40 Jahre alt

Berlin/ddp. - «Er sieht toll aus wie eh und je», sagt der 75 Jahre alteIngenieur heute. Am 3. Oktober 1969 wurde das Bauwerk von der DDRpompös eingeweiht - ohne Oehlrich.
Animierte Grafik: Der Berliner Fernsehturm feiert 40. Geburtstag
«Wegen meiner christlichen Grundhaltung hatte ich den Wehrdienstverweigert», berichtet Oehlrich. «Das war wohl der Grund, warum icham 3. Oktober 1969 bei der Feier mit Ulbricht nicht dabei seinsollte.» Der damalige Staats- und SED-Parteichef Walter Ulbricht gabin Begleitung seiner Frau Lotte am 3. Oktober einen Empfang für alleBauleute und Planer.
Überliefert ist, dass aus Rücksicht auf mögliche Herzprobleme desbetagten Kommunisten einer der Turm-Aufzüge gedrosselt wurde.Ebenfalls dokumentiert ist ein Aussetzer des die freie Rede nichtgewohnten Ulbricht in seiner Begrüßungsrede. Die eigentlicheTurmeröffnung erfolgte dann am Staatsfeiertag, dem 7. Oktober.
Oehlrich und Kollegen hatten bereits am 29. September eine interneFeier auf dem Turm abgehalten. Die Einladungskarte «Zu Ehren derErbauer» besitzt der ehemalige Bauleiter noch immer. Wie allegedruckten Erinnerungen rund um den Turm ist sie akkurat in eines vonmehreren Erinnerungsalben geklebt.
Zum Turm kam der Maurer und Hochbauingenieur Oehlrich 1965 durchZufall. «Ein guter Freund von mit verließ die Turmbaustelle, gesuchtwurde ein Nachfolger. Da hat er einfach mich gefragt.» Damals seigerade das zweite Fundament gegossen worden. Bis dahin hatte Oehlrichim Wohnungsbau Erfahrungen gesammelt, es folgte der Bau des HotelsBerolina.
Ebenso wie der hauptverantwortliche Ingenieur Gerhard Frost warauch Oehlrich Angestellter des Turm-Bauherren, der Deutschen Post derDDR. Der markante Riese sei bei Wind und Wetter gebaut worden. Es gabeinen Stab aus Architekten und Statikern. Für die BereicheFundamente/Sockel, Schaft, Kugel, Antenne wechselten sich dieBauleiter ab. «Ich verantwortete hauptsächlich die Kugel», erinnertsich der gebürtige Berliner Oehlrich.
Um spätere technische Überraschungen zu vermeiden, wurde diegesamte Turmkugel Anfang 1968 vor der benachbarten Marienkirche auf-und anschließend wieder abgebaut. «An Material mangelte es nie. Daswar ja ein Prestigebau», sagt der frühere Bauleiter. Zudem habe eskeinen einzigen richtigen Arbeitsunfall am Turm gegeben. Nur in einemFalle hätten Beteiligte schlicht «Schwein» gehabt: «Eine Eisenstangesauste von oben durch den Förderkorb.» Der war aber menschenleer.
Die Autotour mit Oehlrich endet am Turm-Vorplatz. Der Ingenieurwar jahrelang nicht mehr so dicht an dem Bauwerk, gesteht er undbemerkt wohlwollend den nach der Wende hell gestrichenen Beton desSchaftes: »Sieht viel freundlicher aus als früher." Auch die wiedersprudelnden Brunnen am Turmfuß und der gärtnerisch gestaltete Platzgefallen ihm. Aber dass er zu keiner Feier rund um den 40. Jahrestageingeladen wurde, ist Oehlrich unverständlich.
Auch die Bauphase 1969 endete für Oehlrich unschön. Im Gegensatzzu vielen Kollegen erhielt er nach der Fertigstellung keine Prämie.Noch knapp drei Monate war er mit der Koordination von Nacharbeitenam Turm verantwortlich. Der große Baustab löste sich regulär im Juli1970 auf, bis 1973 entstanden unter anderer Regie die inzwischenebenfalls sanierten Fußanbauten.
Horst Oehlrich war da bereits zuständig für alle Fernsehtürme inder DDR. Darunter für seinen zweiten erklärten Liebling, den nichtmehr öffentlich zugänglichen Fernsehturm in Dresden-Wachwitz: «Einwunderschöner Bau», wie er findet. «Gerade diese schlankeSektkelch-Form hat etwas Elegantes.»
Nach der Wende begann Oehlrich ein weiteres Baustudium, bevor ermit 63 Jahren als Telekomangestellter in Pension ging. Heute wohntder zweifache Vater und dreifache Großvater mit Gattin Hella inBerlin-Oberschöneweide.