1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. DDR-Museum Berlin-Mitte: DDR-Museum Berlin-Mitte: Was ist denn heut' bei Findigs los?

DDR-Museum Berlin-Mitte DDR-Museum Berlin-Mitte: Was ist denn heut' bei Findigs los?

Von Christian Eger 30.07.2006, 18:24

Berlin/MZ. - Aber was ist gegen eine Rumpelkammer einzuwenden? Hat die nicht doch einiges mit der Ost-Situation zu tun? Man schiebt ab, was man abgelegt hat, ohne sich davon trennen zu können; man verbirgt es vor sich selbst. Und war nicht die DDR - praktisch und geistig - eine Gebrauchtwarenhandlung? Nicht zufällig war "Willi Schwabes Rumpelkammer" die erfolgreichste Sendung des Ost-Fernsehens.

In der Rumpelkammer

So wie Willi Schwabe, der Ufa-Nostalgiker, von 1955 bis 1990 immer wieder einen Filmschnipsel mit Heinz Rühmann, Gustaf Gründgens oder Ilse Werner ans Licht zog, so zieht das Nach-Wende-Entertainment Dagmar Frederic, Regina Thoss oder die Puhdys auf die Bühne. Gestalten, die Ende der 80er Jahre bereits fast vom Strom der öffentlichen Aufmerksamkeit genommen waren. Insofern ist der Osten mit der "Wende" noch einmal in seine Kindheit zurückgefallen. Die Staatskünstler von gestern jedenfalls werden immer jünger.

Auch die TV-Rumpelkammer ist wieder da. Sie hat ihren Ort im neu gegründeten "DDR-Museum" in Berlin. Auf einem Bildschirm hält Schwabe die Kellerlampe hoch. Seid ihr alle da? Nebenan kann man sich die Erkennungsmelodien der Sender "Radio DDR 1", "DT 64" und "Berliner Rundfunk" über Kopfhörer holen. Vor allem den Jingle der Morgensendung "Was ist denn heut' bei Findigs los?". Leider ist bei Findigs gar nichts los, denn es wird tatsächlich nur der Vorspann geboten. Dabei wäre es interessant, zu erfahren, wem man da täglich sein Ohr geliehen hat. Einer Ost-"Lindenstraße"? Einem sanften Kurs in sittlicher Ertüchtigung?

Aber es ist eben alles sehr klein, sehr eng, sozusagen DDR-mäßig in dieser Schau. Der "Lipsy"-Schritt muss ja noch vorgestellt werden. Und "Korbine Früchtchen", das "Frösi"-Erdbeer-Maskottchen, das auch nie so populär gewesen ist wie nach dem Einsetzen der Ostvolkskunde 1989. Das alles spricht nicht gegen das Museum; man muss es nur finden. Gegenüber vom Berliner Dom hat es sein Versteck, direkt über der Spree, wassernah in die Kaimauer eingelassen. Den Schriftzug "DDR-Museum" übersieht man, weil er wirkt wie eine Küchenstudio-Reklame.

In der Platte kramen

In Stell- und Schauwänden mit Plattenbau-Dekor wird die DDR-Geschichte präsentiert. Man kann Schubkästen herausziehen, da liegt dann DDR-Spielzeug drin, ein Brigadebuch oder Mosaik-Heft, also alles das, was man als Ostler noch zu Hause liegen hat. Ein FDJ-Hemd kann man anfassen. Eine "Boxer"-Jeans hängt da, deren Problem im Nachhinein weniger im Material als im Schnitt liegt. Rund 600 000 Euro soll ein Freiburger Unternehmer, der Ethnologie studiert hat, für diese Alltagswaren-Messe aufgebracht haben. Ein privat finanziertes Haus für die kulturtouristische Laufkundschaft. Mehr eine Grotte als ein gängiges Museum. Aus der Enge aber wird doch eine Tugend macht. Es waltet ein Hang zur Pointe, Mut zum Klartext, Ironie inbegriffen. Als erstes Schaustück absolviert man ein Modell der Grenzanlagen; damit wäre schon mal das Wesentliche gezeigt. Selbstverständlich wird der Trabi serviert. Aber mit einem so kitschigen Englisch-Kommentar, dass man diesen gern mit einem tiefen Schluchzen unterlegen würde.

Kein Schnittkäse!

In der Sache ist die Schau, die von dem Ostalgie-unverdächtigen Historiker Stefan Wolle beraten wurde, auf der Höhe der Fakten. In der Präsentation aber wird knallhart um Publikum gebuhlt: Die FKK-Fotobilderwand kann nicht groß genug sein. Es gibt ein Wohnzimmer, in dem "Der schwarze Kanal" flimmert. Und eine Stasi-Ecke, in der man Ulrich-Mühe-mäßig den Gegner belauschen kann. Alles wird auch irgendwie buchstäblich angefasst: Arbeit, Schule, Pop und Punk. Die DDR als ein begehbares Pappbilderbuch. Nur SED und NVA kommen zu kurz in der Kürze.

Großartig ist das Haushalts-Tagebuch der Inge Lüdicke aus Oranienbaum bei Dessau. Ein handschriftlicher Beitrag zum Ost-Alltag 1983: "10.10. ,Johns Konsum' ab 10 Uhr: Brötchen ausverkauft (10 Uhr !), keine Kaffeesahne; Apotheke noch keine Lieferung, Augentropfen erst am Donnerstag! 19.10. Neue Kaufhalle ,Leipziger Tor' besichtigt. Nicht mal hier gab es Schnittkäse. 30.10. Reinigungssachen werden nur im beschränkten Maße angenommen - Gardinen gar nicht - da Reinigungsmittel knapp sind! 1.11. Toiletten im Konsument: 3 Türen ohne Klinken, mit Bindfaden durch Loch gezogen, aufzumachen, eine mit Klinke, dafür innen ohne Haken!! 2.11. Für Mostrich muss man ein Gefäß mitbringen! 14.11. Putenbrust (Kaufhaus ,Magnet') zäh wie Juchtenleder für 4,50 Mark!" Kein Zonenzauber, keine Staatsbürgerkunde. Ach. Nur die Wut und der Mangel. Die DDR, scharf durchs Senfglas betrachtet.

Berlin, Liebknecht-Straße 1: Mo-So 10-20 Uhr, Sa 10-22 Uhr; Eintritt 5 und 3 Euro