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DDR-Literatur DDR-Literatur: Lexikalischer Rückblick in das versunkene Leseland

Von MARTIN WESKOTT 27.12.2009, 18:15

KATLENBURG/MZ. - Dabei hat ja "die hier geschriebene kritische Literatur vieles mit vorbereitet". Vielleicht leistet ja das Metzler Lexikon "DDR-Literatur", herausgegeben von den Germanisten Michael Opitz und Michael Hofmann, dazu Anregungen?

Das Tableau der versammelten Autorinnen und Autoren der lexikalischen Beiträge scheint für einen Wurf geeignet. Der Spagat zwischen Sachwörterbuch und Lexikon von Autorinnen und Autoren, alles in alphabetische Stichworte gebracht, ist jedoch nicht gerade glücklich. Über die Auswahlkriterien liest man: "Die DDR-Literatur ist in ihrer Ambivalenz wahrzunehmen", die Themen resultierten aus den Erfahrungen des Landes, gingen aber in den besten Werken über die Grenzen des Landes hinaus. "Die Literatur der DDR hat die Ansprüche der Menschen und ihren Kampf um eine gerechte Gesellschaft ebenso thematisiert wie die Momente des Scheiterns dieser Ansprüche und Hoffnung." Jenseits von "Idealisierung und Verdammung" solle ein Blick auf die Leistungen und Probleme der Literatur in der DDR geworfen werden.

Wenn man die einzelnen Beiträge liest, so wird man leider feststellen müssen, dass das Lexikon seinem Anspruch nicht gerecht wird. Es fehlen viele Autorinnen und Autoren, und man fragt sich umso mehr, warum sie nicht vertreten sind, wenn man liest, wer erwähnt und besprochen wird. Autoren wie Dieter Mucke, Wolfgang Schreyer, Daniela Dahn, Jo Schulz, Jurij Koch, Manfred Streubel, Harry Thürk, Christa Kozik, Helmut Richter, Reinhard Bernhof, Christian Pech, Gunter Preuß, Walter Petri, Bernd-Dieter Hüge, Werner Steinberg, Erich-Günter Sasse sind nirgendwo zu finden, ebenso wie Andreas Montag, Michael G. Fritz, Jean Villain, Christa Borchert, Wolfgang Sämann, Bernd Schirmer, Landolf Scherzer, Jochen Hauser, Ines Eck, Rudolf Hirsch, Rosemarie Schuder, Armin Stolper, Alfred Matusche, Wilhelm Bartsch, Thomas Böhme, Thomas Günther, Axel Schulz, Roza Domacyna, Manfred Wolter, Holger Teschke, Wolfgang Trampe, Gottfried Unterdörfer, Klaus Rohleder, Horst Drescher.

Die Beiträge sind von unterschiedlichem Umfang, wobei nicht zu sehen ist, ob dies nach Ansicht der Autoren ihr Gewicht widerspiegeln soll. Die Artikel sind von der Gliederung und dem Gefälle her sehr unterschiedlich, in der Regel werden nicht die Veröffentlichungen genannt, die zur weiteren Beschäftigung und auch zur literarischen Entwicklung wichtig sind. Mal ist die IM-Tätigkeit genannt, woanders wird sie gar nicht erwähnt, obwohl sie wesentlich umfangreicher und für die Betroffenen gefährlicher war. Manche Artikel kommen nicht über Klappentextformulierungen hinaus. Insofern scheitern die Herausgeber und Autorinnen und Autoren an ihren Ansprüchen. Eine Chance ist grandios vertan worden. So werden wir wohl vorerst auf merkwürdig-verspätete Entdeckungen hoffen müssen, die Literaten der DDR hätten jedenfalls eine andere kritische und sachgerechte Würdigung verdient.

Martin Weskott ist als Retter von DDR-Büchern bekannt geworden, er lebt als Pastor in Katlenburg (Niedersachsen).