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David Bennent: "Blechtrommel" war Fluch und Segen zugleich

06.09.2016, 06:46
Von seinem Vater hat David Bennent sein Freiheitsdenken. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Von seinem Vater hat David Bennent sein Freiheitsdenken. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert dpa

Berlin - Als kleiner Oskar Matzerath in Günter Grass' „Blechtrommel” schrieb er Filmgeschichte. Zu seinem 50. Geburtstag erzählt David Bennent der Deutschen Presse-Agentur, was der Film für ihn bedeutet, warum er sich selbst die Geburtstagsfeier organisieren muss und wofür er Danke sagen will.

Frage: Sie reden nicht gern über „Die Blechtrommel”. Warum?

Antwort: Der Film war beides für mich - Fluch und Segen. Wegen dieser Rolle wurde meine Körpergröße ein Thema. Kein Hahn kräht danach, wie groß Danny DeVito ist, kein Hahn kräht danach, wie groß Prince war - aber ich stand wider Willen in den Schlagzeilen.

Frage: Darum auch Ihr Nein zur Verfilmung des zweiten Teils?

Antwort: Das Leben eines krummen Zwergs, der irgendwie merkwürdige sexuelle Fantasien hat - diese Rolle hat mich als junger Schauspieler nicht wirklich interessiert. Richard III., das ist eine wunderbare Figur, ein wunderbarer Krüppel, das herrlichste an Bösem. Oder Macbeth - das sind Traumrollen. 

Hinzu kommt, dass ich mich von der Person Grass eigentlich abgewendet habe. Dass er seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS erst so spät publik gemacht hat, macht ihn für mich unglaubwürdig.

Frage: Sie kommen gerade vom „Jedermann” aus Salzburg zurück. Wie war’s?

Antwort: Das war eine wunderbare Erfahrung. Wie man dort als Schauspieler während der Festspiele geschätzt und geliebt wird, ist wirklich einzigartig, das habe ich so noch nicht erlebt. Und wir hatten ja auch einen Riesenerfolg. Aber es ist natürlich auch eine große Kirmes, ich weiß nicht, ob ich das noch einmal machen sollte.

Frage: Und jetzt?

Antwort: Alles offen. Ich habe noch kein neues Angebot, ich lasse mich überraschen. Ich gelte ja ein bisschen als schwierig. Immer, wenn ich irgendwo fest bin, flieg ich raus, weil es heißt, ich kann mich nicht anpassen.

Ich finde es schon ein bisschen merkwürdig, dass bei uns so viel über die fehlende Meinungsfreiheit in der Türkei geredet wird - und gleichzeitig kannst du als freier Schauspieler in Deutschland gar nicht so schnell gucken wie du fliegst, wenn du nur mal was Kritisches sagst oder einen Witz machst. Die meisten haben Angst und kuschen, um nicht ihren Job zu verlieren.

Frage: Zuletzt haben Sie mehr gedreht als Theater gespielt - deshalb?

Antwort: Nein, das hat sich so ergeben. Ich habe tatsächlich in den vergangenen drei Jahren vier Filme gemacht, davon sogar zwei Fernsehfilme. Vor zehn Jahren hätte ich mir das nicht vorstellen können. Für mich ist wichtig, dass mir die Arbeit und die Umgebung Spaß machen und dass es mit den Leuten stimmt. 

Frage: Zum Beispiel?

Antwort: Für den ZDF-Zweiteiler „Die Pfeiler der Macht” etwa habe ich mich entschieden, weil ich gern mit Christian Schwochow als Regisseur zusammenarbeiten wollte. Und Ende des Monats kommt „Nebel im August” von Kai Wessel ins Kino. Da geht es um die „Euthanasie” von Kindern im Dritten Reich. Um den Film habe ich lange gekämpft und sogar ein schönes Angebot vom Berliner Gorki Theater abgesagt.

Frage: Was haben Sie von Ihrem Vater Heinz Bennent gelernt?

Antwort: Von meinem Vater habe ich mein Freiheitsdenken. Er hat mir wie Obelix mit der Kraftbrühe in die Wiege gelegt, immer zu meiner Meinung zu stehen und zu sagen, was ich denke. Er ist selbst in der Nazizeit groß geworden und war bei der Hitlerjugend aus „mangelndem Gehorsam” rausgeflogen. Durch diese ganze Geschichte hat er natürlich eine große Wut im Bauch entwickelt, die ihn immer bestimmt hat. Das hat er mir und meiner Schwester weitergegeben.

Frage: War es nicht manchmal auch schwer mit so einem „Übervater”?

Antwort: Klar war seine Erziehung nicht immer einfach. Wenn man so eine Persönlichkeit als Vater hat, muss man als Kind schauen, dass man seine Wurzeln breiter streut, damit man unter der großen Eiche auch mal selbst an die Sonne kommt. Aber er stand immer auf meiner Seite. Als Kind hatte ich es ja nicht immer so einfach, weil ich damals wirklich klein war und ein bisschen eigenartig.

Frage: Was bedeutet für Sie der 50. Geburtstag?

Antwort: Ich bin mit meinem Leben mehr oder weniger sehr zufrieden, die erste Halbzeit war schön. Das einzige ist, dass man halt jetzt weniger vor sich hat als hinter sich. Aber mein Vater ist 90 geworden, dann hätte ich jetzt noch 40 Jahre. Bisher bin ich mir treu geblieben und habe das gemacht, was ich machen möchte. Und ich hoffe ich, dass mir das weiter so gelingt.

Frage: Wo feiern Sie?

Antwort: Dieses Jahr habe ich das große Bedürfnis, nach Griechenland zu kommen. Ich hatte im Januar mit einem Freund einen schweren Autounfall. Ein junger Mann ist uns bei Schneeregen mit 180 Sachen hinten reingeschossen. Kein Gutachter, der das Auto sieht, kann glauben, dass da noch zwei Menschen lebend rausgekommen sind. Das Verfahren gegen den Mann ist eingestellt worden. Aber für mich ist dieser 13. Januar vielleicht ein zweites Leben. Und deswegen möchte ich mich in Griechenland ins Meer legen und nochmal Danke sagen.

Frage: Also keine Fete?

Antwort: Doch, zum Geburtstag selbst bleibe ich jetzt doch noch in Berlin. Ich feiere in einem Hinterhof, ein befreundeter Koch kocht für mich. Meine Freundin konnte mir keine Überraschungsparty mehr organisieren - wir haben uns vor ein paar Monaten getrennt.

Frage: Oje, warum?

Antwort: Das war ein großer Kampf. Wir waren acht Jahre zusammen, mit Hin und Her und größeren Unterbrechungen  - es war eine schöne, wilde Geschichte. Vieles war wunderschön, aber vieles war auch nicht möglich. Dann haben wir uns so entschieden, und es ist das Richtige.

ZUR PERSON: David Bennent, am 9. September 1966 in Lausanne geboren, ist das zweite Kind des Schauspielers Heinz Bennent und seiner Frau Paulette Renou. Mit der Hauptrolle in der Verfilmung von Günter Grass' Blechtrommel (1979) hatte er seinen größten Erfolg. Er arbeitete mit zahlreichen großen Theaterregisseuren zusammen, zuletzt stand er auch wieder vor der Kamera. (dpa)