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"Unser parteitäglich Brot" Das Leipziger Kabarett "academixer" feiert im September 50. Geburtstag

Von Sabine Fuchs 22.08.2016, 20:00
Hereinspaziert: Die „academixer“ in Leipzig planen eine Festwoche.
Hereinspaziert: Die „academixer“ in Leipzig planen eine Festwoche. dpa

Leipzig - „Unser parteitäglich Brot“, „Einmal Troja und zurück“ und „Dr Saggse - Mänsch un Miedos“ gehören zu den wohl bekanntesten Programmen des Leipziger Kabaretts „academixer“. Mit bissiger Satire, sächsischem Humor und Comedy hat es sich auch über die Stadt hinaus einen Namen gemacht. Am 10. September wird das Haus 50 Jahre alt. Mit einer Festwoche, einem Tag der offenen Tür und einer Edition mit den besten Stücken feiert es bereits ab 27. August das Jubiläum.

„Wir haben uns was getraut und waren erfinderisch“, sagt Gunter Böhnke, der am Anfang mit dabei war. Jürgen Hart („Sing mei Sachse sing“) habe ihn, Christian Becher und Bernd-Lutz Lange ins Boot geholt und das Studentenkabarett gegründet. Nicht alle erleben noch das runde Jubiläum. Hart starb 2002, Becher 2013. Ganz genau sei es eine Neugründung gewesen, erläutert Jürgen Klammer vom Deutschen Kabarettarchiv in Mainz. Der Name der Bühne stamme von Hans-Dieter Weyrich und Wilfried Jackisch, die bereits 1962 die „academixer“ ins Leben riefen. Nach dem Verbot eines Programmes durch die damalige Karl-Marx-Universität hätte sich die Truppe langsam aufgelöst.

„Für uns war es immer eine Gratwanderung“, erinnert sich Böhnke. Die Programme hätten vor der Premiere von den SED-Kulturfunktionären genehmigt werden müssen. „Doch wir konnten unsere Botschaft gut rüberbringen. Das DDR-Publikum war trainiert, zwischen den Zeilen zu lesen.“ Weil sich über die DDR-Staatsratsvorsitzenden Ulbricht und später Honecker sowie die deutsch-deutsche Mauer niemand direkt mokieren konnte, diente zum Beispiel die Antike als humoristische Kulisse. „Jeder hat gewusst, dass das Politbüro gemeint war.“ „Kabarett Ost war damals nicht vergleichbar mit Kabarett West“, bestätigt Jürgen Klammer vom Kabarettarchiv. „Das Kabarett im Osten unterlag einer Zensur. Der Reiz bestand darin, diese Zensur zu überlisten, was gelegentlich gelang und vom Publikum stürmisch gefeiert wurde.“ Die Menschen im Osten hätten sich im Kabarett an der - wenn auch zahmen - Kritik an den Missständen in der DDR gefreut. Auch, weil sie das in der Öffentlichkeit vielleicht selbst nicht zu sagen wagten.

Heute könne man alles sagen, doch er vermisse die politische Satire im Kabarett, Unterhaltung überwiege, kritisiert Klammer. Dass sei nicht nur in Leipzig so, wo einige Kabaretts es mit dem sächsischen Klamauk zu arg trieben. „Das Publikum sieht das offenbar anders“, hält Böhnke dagegen. „Wir haben zahlreiche Bühnen, Leipzig ist eine Kabaretthochburg in Deutschland, die Konkurrenz ist groß.“ Dass die „academixer“ die „Pfeffermühle“, die „Funzel“ oder „Sanftwut“ überleben, sei doch erst mal positiv. Nicht unerwähnt solle bleiben, dass sich im Osten fast alle DDR-Berufskabaretts halten konnten, so die „Herkuleskeule“ in Dresden oder die „Distel“ in Berlin.  (dpa)