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Das Ende der Romanows Das Ende der Romanows: Das blutige Ende Zar Nikolaj II. und seiner Familie

Von Kai Agthe 14.07.2018, 16:00
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Zar Nikolaj II. mit seiner Frau Alexandra Fjodorowna (l.) und den Töchtern Marija, Tatjana, Olga und Anastassija sowie dem Zarewitsch genannten Thronfolger Alexej (vorne).
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Zar Nikolaj II. mit seiner Frau Alexandra Fjodorowna (l.) und den Töchtern Marija, Tatjana, Olga und Anastassija sowie dem Zarewitsch genannten Thronfolger Alexej (vorne). dpa

Halle (Saale) - Am Ende wollte man das Unheil schon am Anfang erkannt haben: Seit der Krönung von Nikolaj Romanow zum russischen Zaren Nikolaj II. 1894 habe ein dunkler Schatten über seiner Herrschaft gelegen, meinen rückwärtsgewandte Propheten mit Blick auf jene Katastrophe, die sich zu seiner Krönung ereignete.

Bereits am Vorabend versammelten sich Tausende Menschen am Ort der Feier, da sich herumgesprochen hatte, dass jedem Zaungast auf dem Chodynka-Feld in Petersburg eine Geschenktüte überreicht werden sollte.

Der gewaltige Zustrom war vom Militär bald nicht mehr zu bändigen, das folgende Gedränge auch nicht, so dass eine Panik ausbrach und „etwa 1.300 Menschen zu Tode getrampelt wurden“, wie der junge Zar Nikolaj in seinem Tagebuch notierte, das er bis zuletzt gewissenhaft führte. Man konnte ihm nicht die Schuld an dem Unglück geben, das ein Volksfest hätte werden sollen und zu einer Trauerfeier wurde - aber auch zu des jungen Monarchen Menetekel.

So tickten die Romanows

Der 1868 geborene Nikolaj Romanow war ansehnlich und charmant, galt als guter Ehemann und Familienvater, und, wie die ganze Familie, als ausgewiesener Antisemit. Verheiratet mit Alexandra von Hessen-Darmstadt, hatte das Ehepaar fünf Kinder. Nach vier Mädchen wurde im Jahr 1904 mit Alexej endlich ein Thronfolger geboren. Dass der Zarewitsch, wie der Kronprinz hieß, an der Bluterkrankheit (Hämophilie) litt, nahmen Spökenkieker als weiteren Beweis, dass ein böses Omen über der Herrschaft der Romanows liege.

Rasputins Einfluss

Bestärkt wurden die Stimmen, die unselige Kräfte wirken sahen, auch durch das Erscheinen von Grigorij Rasputin am Zarenhof. Der „Starez“, wie der berühmt-berüchtigte Wanderprediger und Geistheiler genannt wurde, übte vor allem auf Nikolajs Frau Alexandra großen Einfluss aus, war die Zarengattin doch der Meinung, dass Rasputin ihren Sohn vor dem Tod gerettet hätte.

Für die einen galt er deshalb als Russlands Retter, für die anderen war Rasputin nur ein Scharlatan, Ketzer, Erotomane und, nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, auch ein deutscher Spion. Alles zusammen führte dazu, dass eine Gruppe um Felix Jussupow, einem Spross der reichsten Adelsfamilie Russlands, Rasputin Ende 1916 im Palast des Fürsten erst grausam folterte und schließlich ermordete.

Die Tat verunsicherte auch Nikolaj II. Der war ohnehin kein standhafter Politiker und noch weniger ein Reformer. Sein wankelmütiger Charakter machte ihn als Zaren ebenso unberechenbar wie als Oberbefehlshaber im Russisch-Japanischen Krieg und im Ersten Weltkrieg.

Bespitzelung durch Geheimpolizei nahm unter Nikolaj II. zu

Unter seiner 24-jährigen Herrschaft wurde - wie György Dalos in seinem Buch „Der letzte Zar - Der Untergang des Hauses Romanows“ schreibt - landesweit die Bespitzelung durch die Geheimpolizei und auch die Zensur in dem Riesenreich verstärkt, dessen Bewohner zu 99 Prozent Analphabeten waren. „In der Armee herrschten Hunger, Drill und physische Brutalität, im zivilen Dienst vorauseilender Gehorsam und eine beispiellose Korruption“, so Dalos. Die dramatische Situation spitzte sich in den Jahren des Ersten Weltkrieges weiter zu, die Februar- und Oktoberrevolution waren die logische Konsequenz. Aus letzterer gingen die Bolschewiki 1917 mit Lenin als starkem Mann siegreich hervor.

Aber mit dem Niedergang des „versteinerten zaristischen Regimes“ (Dalos) waren die Russen nicht von jahrhundertelanger Knechtschaft erlöst, diese nahm nur eine andere politische Gestalt an: die einer ebenfalls auf Furcht und Schrecken errichteten kommunistischen Diktatur.

Exil in England erhofft - Keine Gnade von den kommunistischen Bolschewiki

Mit Nikolajs Abdankung im Zuge der Februarrevolution 1917 endete das Zeitalter der Monarchie nicht nur in Russland, sondern bald auch in weiten Teilen Europas. Im Gegensatz zu seinem Cousin in Deutschland, Wilhelm II. von Preußen, der zwar einer parlamentarischen Demokratie weichen musste, aber weitgehend unbehelligt blieb und ins holländische Exil ging, wollten die kommunistischen Bolschewiki keine Gnade gegenüber dem Zaren und seiner Familie walten lassen.

Nach Nikolajs Thronverzicht waren die Romanows zunächst optimistisch, nach England emigrieren zu können. Doch König George V. hatte, auch wenn entsprechende Botschaften diplomatisch formuliert waren, kein Interesse, Russlands einstmals erste Familie als Flüchtlinge aufzunehmen. Statt auf die britische Insel ging die Reise für Nikolaj und seinen Anhang ins sibirische Tobolsk, einem klassischen Verbannungsort für Dissidenten, und weiter nach Jekaterinburg.

„Der Sowjet der Arbeiterdeputierten hat Befehl erteilt, Sie alle zu erschießen“

Dort wurde das Schicksal der Romanows besiegelt - nachdem auch Lenin der Ermordung der Zarenfamilie zugestimmt hatte. Am 17. Juli vor 100 Jahren wurden sie um zwei Uhr nachts in den Keller des von ihnen bewohnten Hauses geführt, wo ihnen Jakow Jurowski, ein Offizier des Geheimdienstes Tscheka, mitteilte: „Der Sowjet der Arbeiterdeputierten hat Befehl erteilt, Sie alle zu erschießen.“ Der Befehl wurde umgehend ausgeführt.

Von dem 13-jährigen Alexej wird berichtet, dass er zu diesem Zeitpunkt ein Hemd trug, in dem Edelsteine eingenäht waren, die auch die Bajonett-Attacken des Mordkommandos abwehrten, weshalb der Thronfolger nicht sofort tot war, sondern erst, nachdem man ihm noch zweimal in den Kopf geschossen hatte.

Die sterblichen Überreste der Romanows wurden in einem Wald nahe Jekaterinburg verscharrt, 1979 wiederentdeckt und genau 80 Jahre nach dem Mord in der Peter-und-Paul-Festung in St. Petersburg beigesetzt.

››György Dalos: „Der letzte Zar. Der Untergang des Hauses Romanow“. C.H. Beck, 231 S., 22,95 Euro (mz)