Craig und Waltz bei Premiere Daniel Craig und Christoph Waltz bei Premiere

Berlin - London, du hast es besser – allerdings war es auch ein Heimspiel. Schließlich ist James Bond Geheimagent Ihrer Majestät und damit unbedingt Brite. Entsprechend groß war der Trubel bei der Weltpremiere des neuen Bond-Films „Spectre“ am Montagabend in der Royal-Albert Hall. Sogar die königlichen Prinzen wollten sich die Abenteuer des Superagenten 007 nicht entgehen lassen. Die Crew um Hauptdarsteller Daniel Craig, Christoph Waltz, die Bond-Girls Lea Seydoux und Monica Bellucci – wohl nur bei Bond ist eine gestandene Frau von 51 Jahren noch ein Girl – und Regisseur Sam Mendes ließ sich vom Publikum feiern.
Superstars am Potsdamer Platz
Der Maßstab war also gesetzt. Nun erwartet Berlin (abgesehen vielleicht vom neuen „Star Wars“ im Dezember) dieses Jahr tatsächlich keine ähnlich aufsehenerregende Premiere mehr. Entsprechend präsentierte sich der Premieren-Ort Nummer Eins, das Sony-Center am Potsdamer Platz, am Mittwochabend wieder herausgeputzt für ein pralles Stück Hollywood-Kino. Ein roter Teppich war ausgelegt, in einer Ecke parkte ein Aston Martin. Durch dieses Ambiente bewegten sich am Abend die Superstars Craig und Waltz, Naomie Harris (sie spielt die Sekretärin Miss Moneypenny) und Produzentin Barbara Broccoli im Schneckentempo. Überall mussten sie Autogramme geben und sich – meist per Selfie natürlich – fotografieren lassen. Während Harris und Broccoli dabei sehr freundlich wirkten, zeigte Waltz sein Haifischgrinsen und Craig sein obercooles Bond-Gesicht. Lustig war früher.
Erst am Donnerstag nächster Woche lässt sich auch im Kino besichtigen, ob „Spectre“ wieder einen extraherben Spion präsentiert. Ein paar Kinos wollen den Film bereits Mittwochnacht zeigen. Diesen Termin hat sich auch Markus Alsdorf markiert. Er ist Mitglied des Berliner Fanclubs Bondspirit und Mitherausgeber des gleichnamigen Magazins. Das soll im November erstmals erscheinen und den geneigten Leser mit Kritiken und allerlei Hintergründigem zu Bond erfreuen. All dieser Enthusiasmus hat für ihn und seine Mitstreiter jedoch nicht dafür gereicht, um zur Premiere zu kommen. „Das ist schon schade“, sagt Alsdorf, „aber ich werde mir den Film sicher mehrfach anschauen“. So wie eigentlich alle Bonds bisher.
Die Schauspieler Detlef Bothe und Victor Schefé dagegen liefen über den Teppich. Eigentlich hätten sie auch im Cast mit Craig und Co. mitlaufen können, schließlich haben beide in „Spectre“ mitgespielt – wenn auch nur in kleinen Rollen. Dass man jedoch auch dabei Eindruck hinterlassen kann, haben zuletzt ihre in Berlin lebenden Kollegen Clemens Schick und Anatole Taubman bewiesen. Schick stand 2006 als Handlanger des Bösewicht in „Casino Royale“ vor der Kamera, Taubman spielte 2008 in „Ein Quantum Trost“ einen Schurken namens Elvis. Am Premierenabend genossen beide den gewissen Nachruhm ein wenig.
Wohin immer die Premierengäste nach dem Film noch gehen wollten, ein beziehungsreicher Ausgeh-Ort fällt flach: Seit 2008 bewirtete das Team des Restaurants „Bond“ in der Knesebeckstraße in Charlottenburg seine Gäste in Bond-lastiger Umgebung. Ein wenig sah es so aus, als hätte ein Innenausstatter versucht, den genialen Bond-Kulissenbauer Ken Adam zu imitieren, und war dabei gescheitert. Jedenfalls war das Lokal in ein schwieriges Gold-Lila getaucht. Ob es an der Einrichtung lag, dass das Bond vor anderthalb Jahren schloss, oder doch daran, dass der Restaurant-Chef nach eigenem Bekunden „gar nicht kochen kann“, muss offen bleiben. Jedenfalls eröffnete in den Räumen unlängst das „Cento Grammi“, das „Hundert Gramm“ also, ein Edel-Italiener.
Noch weniger gewichtig aber dafür umso gehaltvoller ist der Wodka Martini, Bonds Lieblingsdrink über die Jahrzehnte. Immerhin geht es nicht mehr um die ewige Frage „Gerührt oder geschüttelt?“, seit Bond einmal sagte: „Sehe ich aus, als ob mich das interessiert?“ Wir wissen nicht, wie die Mixologen der Bar Vesper am Kudamm 160 ihren Wodka Martini machen. Nur eines ist sicher: Der Name ihres Arbeitsplatzes steckt voller Anspielungen. In „Casino Royale“ stirbt das Bond-Girl Vesper Lynd. Und der verliebte James nennt einen Cocktail aus Gin, Wodka und einem Aperitif Vesper.
Kenner wissen, dass sowohl „Casino Royale“ als auch Vesper Lynd eine lange Bond-Geschichte haben. Schon der erste Fernsehfilm von 1954 war nach der königlichen Spielhalle benannt – die Vesper Lynd aus dem Roman freilich hieß im Film Valerie Mathis. Der erste Kinofilm, „James Bond – 007 jagt Dr. No“ mit Sean Connery folgte 1962.
Die Geschichte dieser Reihe, in der „Spectre“ als Nummer 24 geführt wird, ist übrigens eng verbunden mit deutschsprachigen Schauspielern. Den Anfang machte Peter Lorre im 54er-„Casino Royale“ als Gegenspieler Le Chiffre, 1963 legte sich die Brecht-Schauspielerin Lotte Lenya in „Liebesgrüße aus Moskau“ als Rosa Klebb mit Bond an. Bis heute gilt Gert Fröbe als Goldfinger im gleichnamigen Film von 1964 als einer der bösewichtigsten Bösewichte überhaupt. Unvergessen auch Curd Jürgens als Karl Stromberg in „Der Spion, der mich liebte“ von 1977. Wird also mal wieder Zeit für einen echten deutschen Bond-Gegner. Der aktuelle, Christoph Waltz, hat zwar eine Wohnung in Berlin – er ist und bleibt aber Österreicher.

