Damals und Heute Damals und Heute: Zu Lebzeiten bettelarm, heute der teuerste Künstler der Welt
London/dpa. - Zu Lebzeiten krähte kein Hahn nach den Werken von Vincent van Gogh, ein Jahrhundert später erzielen seine Bilder auf Auktionen Rekordpreise. Van Goghs «Portrait des Dr. Gachet» wurde 1990 bei Christie's für 82,5 Millionen Dollar versteigert. Bis heute ist dies die höchste Summe, die je für ein Kunstwerk gezahlt wurde. 1998 erwarb ein Sammler das «Portrait des Künstlers ohne Bart» für 71,5 Millionen Dollar.
«Van Gogh ist der mit Abstand am meisten nachgefragte Künstler auf dem Kunstmarkt», sagt Giovanna Bertazzoni, bei Christie's in London für Impressionisten und Moderne Kunst zuständig. Obwohl die Preise im Kunstmarkt in den vergangenen Jahren gefallen seien, habe van Gogh seinen Marktwert gehalten. «Für hohe Qualität wird noch immer ein sehr hoher Preis gezahlt. Van Gogh ist eine sichere Investition. Er kommt nicht aus der Mode.»
Nicht immer sind die Preise außerhalb jeder Vorstellungskraft. Denn neben den - wenigen - berühmten und wertvollen Ölgemälden van Goghs sind weit mehr als tausend Bleistiftskizzen, Kreidezeichnungen, Tuschearbeiten und Aquarelle erhalten. Papierarbeiten machen den weit überwiegenden Teil seines Oeuvres aus, denn der mittellose Maler konnte sich Ölfarben und Leinwand nur sehr selten leisten. Die Papierarbeiten mögen weniger bekannt sein, aber sie sind bezahlbar und verfügbar, erklären Kunsthändler die große Nachfrage.
Das Problem, mit dem große Auktionshäuser, aber noch mehr die kleinen Galeristen und Händler zu kämpfen haben, ist die Fälschung. Die Marktführer Sotheby's und Christie's vergleichen jedes angebotene Bild mit den beiden offiziellen Werkverzeichnissen und ziehen Experten zu Rate. «Es gibt sehr viele van Gogh-Kopien im Markt», sagt Bertazzoni. «Aber die Gefahr, sie nicht zu erkennen, ist geringer als bei anderen Künstlern. Das Oeuvre ist gut dokumentiert und die Bilder sind sehr bekannt.»
Wie wichtig die Expertise ist, mussten die Erben eines französischen Bankiers erfahren, der 1992 den «Garten in Auvers» ersteigert hatte. Nach seinem Tod wollten sie das Bild verkaufen, doch plötzlich galt es nicht mehr als echt und die vermeintliche Kopie fand keinen Käufer. Die Erben wollten daraufhin den Kauf rückgangig machen, was zu einem jahrelangen Rechtsstreit führte. Das juristische und das kunsthistorische Urteil fielen Ende der 90er: Ja, das Bild ist echt, sagten die Experten. Nein, der Kauf ist gültig, sagten die Richter.
Käufer und Verkäufer der van Goghs sind meist private Sammler. Nach dem Zusammenbruch der japanischen Wirtschaft sind es heute vor allem Europäer und Amerikaner, die bei van Gogh-Auktionen mitbieten, sagt Christie's. Sie kaufen und verkaufen Kunstwerke, um ihre Sammlung auszubauen und um damit Gewinne zu machen. Daher tauchen van Goghs-Bilder immer wieder in den Auktionskatalogen auf. Im Durchschnitt wechselten sie alle zehn Jahre den Besitzer.
Die meisten Bilder wandern von Privatsammlung in Privatsammlung, dass Museen den Zuschlag bekommen, ist die Ausnahme. Dabei informieren große Auktionshäuser sie sogar vorab über zum Verkauf stehende Objekte. Die Zeit der Ausstellung bei Sotheby's oder Christie's ist für Kunsthistoriker manchmal die einzige Gelegenheit, ein Bild im Original zu studieren, bevor es wieder in einer Privatsammlung verschwindet. Zum Glück für die Öffentlichkeit stellen viele Sammler ihre Pretiosen den Museen als Leihgabe zur Verfügung oder lassen sie zu Ausstellungen reisen.
Dennoch ranken sich um die privaten Sammler wilde Legenden. Beim «Gachet» wurde sogar vermutet, das teuerste Bild der Welt sei verbrannt. Der japanische Käufer soll gesagt haben: «Legt das Bild in meinen Sarg, wenn ich sterbe». Nach seinem Tod 1996 wurde gerätselt, ob dieser Wunsch metaphorisch gemeint war, oder ob das Bild tatsächlich mit ihm eingeäschert wurde. Museen in aller Welt haben sich seither vergeblich bemüht, das Gemälde zu zeigen.