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Dacia Maraini wird 65 Dacia Maraini wird 65: Eine feministische Schriftstellerin

08.11.2001, 11:38
Dacia Maraini
Dacia Maraini dpa

Rom/dpa. - «In der Geschichte haben Männer und Frauen immerverschiedene Sichtweisen vertreten, die keinen biologischen Ursprunghaben, sondern in der unterschiedlichen Erziehung zu suchen sind» -so hat Dacia Maraini in einem Interview einmal ihr Interesse für dieweibliche Identität erklärt. Die italienische Bestsellerautorin giltinternational als eine der Hauptvertreterinnen feministischerLiteratur, die ihre Positionen immer wieder in Frage stellt undüberdenkt. Am Dienstag (13. November) wird die Schriftstellerin 65Jahre alt.

Dacia Maraini hat eine erstaunliche Karriere hinter sich. Als sie1962 ihre erste Erzählung «La vacanza» (deutsch «Tage im August»)herausbrachte, sprachen viele Kritiker von einem krassen Fallliterarischer Protektion. Zu jener Zeit war sie nämlich nicht nurdie Gefährtin des 29 Jahre älteren Alberto Moravia (1907-1990),sondern schmückte ihr Erstlingswerk sogar mit einem Vorwort desberühmten Lebenspartners. Jedoch hat die Autorin die abwertendenUrteile im Laufe der Jahre durch Talent und Fantasie widerlegt undgehört heute zu einer der interessantesten Erscheinungen deritalienischen Literaturszene.

1936 als Tochter einer adligen sizilianischen Mutter und desAnthropolgen Fosco Maraini geboren, siedelte Dacia schon früh vonFlorenz nach Rom über, wo sie sich zunächst mit Gelegenheitsjobsdurchschlug. Später gründete sie mit Freunden eine literarischeZeitschrift und arbeitete an mehreren Zeitungen mit. Nach derVeröffentlichung ihrer ersten Romane und Erzählungen in den 60erJahren war sie Mitbegründerin experimenteller Theater, in denen vorallem zeitgenössische italienische Stücke aufgeführt werden.

«Nur mit dem Willen allein kann man Tausende Jahre von Trennungund Ausschluss nicht auslöschen», meint Dacia Maraini zur Geschichtedes Rollenverständnisses von Mann und Frau. Deshalb sei Literaturüber die weibliche Identität unbedingt notwendig. Schon 1976 wähltesie für ihr Theaterstück «Dialog einer Prostituierten mit einemihrer Kunden» eine Protagonistin, die sich bewusst für den Beruf derProstituierten entschieden hat. Maraini wartet in dem Werk mit einemprovokanten Credo auf: Da alle Frauen sich sowohl in der Ehe alsauch in freien Beziehungen prostituierten, sei es ehrlicher undkonsequenter, für diese obligatorische Dienstleistung wenigstens einEntgelt zu verlangen.

Mittlerweile ist Dacia Maraini eine vielfach ausgezeichneteAutorin. Bereits 1963 erhielt sie für den Roman «Zeit desUnbehagens» den Formentor-Verlegerpreis, 1999 den renommiertenitalienischen Literaturpreis Premio Strega für den Erzählband «Buio»(etwa: Dunkel). Darin setzt sie sich mit der Berichterstattung überVerbrechen auseinander. Und obwohl sie seit Jahrzehnten eine dererfolgreichsten Schriftstellerinnen Italiens ist, konnte sichMaraini über die Auszeichnung noch freuen wie ein Kind. «Ein Traum!Ich bin aufgeregt wie ein kleines Mädchen!», sagte sie damals.

Weitere Preise erhielt die Wahl-Römerin für ihre Bücher«Bagheria. Eine Kindheit auf Sizilien» (1993), «Die stumme Herzogin»(1992) und «Stimmen» (1995). Einen großen Erfolg hatte Dacia Marainiauch 1998 mit ihrem Briefroman «Liebe Flavia», in dem eine reifeFrau Briefe über eine verflossene Liebe schreibt - allerdings nichtan ihren jungen Ex-Geliebten, sondern an dessen kleine Nichte. DasKind, das nie auf die Briefe antwortet, wird so zu einer ArtKlagemauer für den Verlust, den die Schreiberin beklagt.

In ihren Romanen hat die Autorin stets versucht, nicht denmoralischen Zeigefinger zu heben. «Ein Schriftsteller darf keinErzieher sein. Er muss sich auf das Erzählen beschränken, muss seineHauptdarsteller führen. Und er darf weder verurteilen nochrechtfertigen», meint die Schriftstellerin.