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Corinna Harfouch über Mütter und Familien

06.03.2008, 13:25

Berlin/dpa. - Im Kinofilm «Frei nach Plan» (Start 6. März) spielt Corinna Harfouch (53) eine Frau, die zurückgezogen in einer Hassliebe-WG mit ihrer Mutter lebt. Am Geburtstag der Mutter, als auch die beiden Schwestern kommen, gerät der familiäre Mikrokosmos ins Wanken. Ihre Filmfigur «Iris», die recht vereinsamt zwischen Fürsorge, Überforderung und Bösartigkeit schwankt, hat Harfouch gern mitgestaltet. Familie, das bedeutet ihr viel, auch im eigenen Leben.

Was hat Sie an der Familiengeschichte «Frei nach Plan» fasziniert?

Harfouch: «Zunächst einmal gab es mit Franziska Meletzky eine Regisseurin, die unglaublich hartnäckig darauf bestand, mit Kirsten Block, Dagmar Manzel und mir einen Schwesternfilm zu machen. Da gab es noch gar kein Buch. Die Möglichkeiten, die sie bot, haben mich gereizt. Ich persönlich hab auch zwei Schwestern und noch einen Bruder dazu. Ich bin ebenfalls in einer Kleinstadt aufgewachsen. Das war etwas, wo ich mich irgendwie auskenne und etwas, das ich gerne auch mal spielen wollte. Diese Iris ist wie jede Frauenrolle in diesem Film nach vielen gemeinsamen Gesprächen genau so geworden, wie ich mir das gewünscht habe. Ich sehne mich danach, dass diese Teile in mir, also auch so etwas wie Iris, mal abgefragt werden.

Frage: Wer ist diese Filmfigur Iris, wie ist sie?

Harfouch: «Iris ist ein Mensch, der in einer relativen Bescheidenheit lebt, zu Hause bei der Mutter. Sie schwankt zwischen Überdruss und Bösartigkeit, gleichzeitig ist dort Überforderung, aber auch Pflichtgefühl. Sie hat so eine Art, sich nicht zu trauen rauszugehen und das Leben zu leben, sondern daran festzuhalten, die Mutter zu begleiten. Ein Teil von Iris ist die Krankenschwester in mir.

Frage: Das Zurückgezogene der Iris, ist das auch solch ein Teil?

Harfouch: «Ich bin gar kein reiselustiger Mensch, ich möchte gern zu Hause bleiben. Ich möchte mich dort vergewissern können, dass ich sehr einfache Dinge tue; mich auf eine Weise erwachsen fühle, indem ich mich in einem ganz bestimmten Umfeld bewege. Und das ist dann mein Zuhause. Das ist das, was ich bestimmen kann. Und von da aus kann ich dann rausgehen und den anderen Existenzen in mir Raum lassen. Ich muss mich immer öfter, immer mehr und immer länger zurückziehen. Ein bisschen allein sein.»

Frage: Die Film-Mutter und Film-Tochter werfen sich ja harte Sachen an den Kopf. Was ist das für eine Beziehung?

Harfouch: Die Beziehung zwischen Iris und ihrer Mutter tut auch weh. Ich glaube, viele Beziehungen laufen so. So zwischen sich gegenseitig etwas anzutun und sich treu bleiben wollen und sich nicht verlassen wollen. Und auch gar keinen anderen Plan zu haben, als das Leben so durchzuziehen. Gar keine andere Idee in sich aufkommen zu lassen, aus lauter Angst, dass das Leben vielleicht zuschlägt und einen irgendwo hinspült; wo man sich überhaupt nicht vorstellen kann, sein zu wollen. Oder sich überhaupt gar nichts vorstellen kann. Aus Fantasielosigkeit.»

Frage: Hat es Freude gemacht, mit Kolleginnen wie Christine Schorn, Dagmar Manzel und Kirsten Block zu arbeiten?

Harfouch: «Ja, das hat Freude gemacht. Man darf sich eine solche Freude nicht so vorstellen, dass wir den ganzen Tag gelacht haben. Man strengt sich ganz schön an. Die Freude bestand darin, dass wir uns alle schon so lange kennen und auf eine ganz bestimmte Weise intim miteinander sind. Obwohl ich mit keiner von den Mädels schon einmal gespielt habe, kenne ich sie doch sehr lange. Ich war sowohl mit Kirsten als auch mit Dagmar auf der Schauspielschule. Tine Schorn ist eine Königin für uns alle, also als Schauspielerin. Das ist eine Göttin, ein Vorbild, ein Mensch, den man liebt.

Teilweise haben wir uns am Drehort vielleicht so verhalten, wie man sich in der Familie verhält. Nicht so überschwänglich, nicht so Intimität vortäuschend. Das ist wie in einer Familie, man weiß eine Menge voneinander. Ich hab das Gefühl gehabt, dass sich alle gleich so ihrer Rolle zugeordnet haben. Ich muss sagen, dass ich mich mehr isoliert und alles von weitem beobachtet habe. Das war wie so eine Aufstellungssituation. Das ist das, was einem beim Theaterspielen erwischt, dass einem der Körper oder Wissen oder Erfahrung etwas gibt, von dem man gar nichts weiß.»

Frage: Was bedeutet Ihnen die eigene Familie?

Harfouch: «Ich liebe alle meine Geschwister und habe mit jedem eine ganz unterschiedliche Geschichte. Einmal im Jahr gibt es bei mir ein Familientreffen. Das ist eine wichtige Sache für mich. Aber es ist unwägbar. Man muss sich unglaublich sensibel auf so etwas einstellen, das ist ja ein Riesenrucksack. Man weiß ja soviel voneinander. Das ist nicht harmonisch und homogen. Das ist unheimlich aufgeladen. In der Familie hat man ja noch viel größere Geheimnisse miteinander als in Freundschaftsbeziehungen. Eine Familienbeziehung, das ist etwas ganz Spezielles, weil man sich die ja nicht aussucht. Aber man braucht und liebt sich. Das ist deine Heimat. Und da spielen unglaubliche Sachen an Gefühlen eine Rolle, Hass, Liebe, Ablehnung, Treue, Zwang, Erleichterung, Frieden und plötzlich auch Stolz: Das sind ganz und gar Menschen, auf die ich mich in speziellen und extremen Bedingungen meines Lebens werde verlassen können.

Gespräch: Ulrike v. Leszczynski, dpa