1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Comics: Comics: Streit um die Hitler-Satire «Der Bonker»

Comics Comics: Streit um die Hitler-Satire «Der Bonker»

Von Chris Melzer 18.09.2006, 11:34

Hamburg/dpa.« - «Darf man das? Man muss!» So beschied Walter Moersvor acht Jahren die Kritiker seines ersten «Adolf»-Comics. In demBüchlein ließ der durch «Das kleine Arschloch» bekannt gewordeneZeichner Adolf Hitler als weichlichen Verlierer durchs Leben gehen,der von Rechtsradikalen zusammengeschlagen wird und im zweiten Bandsogar Selbstmord begehen will, während er über die Fehler seinesLebens nachdenkt («Äch hätte Rossland besser öber die Flankeangreifen sollen»).

«Adolf, die Nazisau» war ein Erfolg und warf die Frage auf, ob manüber einen der größten Massenmörder der Geschichte Witze machendürfe. Inzwischen setzten Satiriker den Diktator in einer fingiertenWerbung vor ein Glas Bier («Polen! Da hatte ich mal ein Lager.»), unddie Karikaturisten Greser und Lenz brachten sogar die Serie «DerFührer privat», in der Hitler in Pantoffeln und Nachthemd dieNachbarn um Ruhe bittet, «denn morgen wird schon um 5.45 Uhrzurückgeschossen». Das dritte «Adolf»-Buch von Moers, «Der Bonker»,schien nichts Besonderes mehr zu sein - wenn da nicht ein Filmchenwäre.

Der Trickfilm, einem Musikvideo gleich, zeigt dencomputeranimierten «Föhrer» in der Badewanne und beinebaumelnd aufdem Klo. «Chantré»-schlürfend beklagt er sich über die Welt («DerZweite Weltkrieg macht keinen Spaß mehr») und gibt sich trotzig:«Kapitulation, nö, da halt ich nix davon, ich habe über mir dreiMeter Stahlbeton.» Den Refrain singen Badeenten im «Adolf»-Design,Schäferhund Blondie hechelt dazu. Das Video gehört zu den am meistenheruntergeladenen Dateien im Internet, zu hunderttausenden wird diepassende Internetadresse oder gleich das ganze Video in E-Mailsverschickt. Und es ist umstritten.

Wie beim Comic vor acht Jahren wird in dutzenden so genannterBlogs gefragt: Darf man das? Linke und Rechte scheinen sich einig,wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. «Wenn man weiterhin so laxmit diesem eigentlich überhaupt nicht lustigen Thema umgeht, wird esauch kein Wunder sein, wenn wir uns in zehn Jahren wieder in einemBunker (Atombunker) finden werden», schreibt ein Besorgter. Einanderer meint, dass man sich nicht über etwas lustig machen dürfe,«wofür tausende Landser ihr Leben gelassen haben».

Der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano reagierte «eherverstört»: «So kann man nicht verfahren mit dem Vater des Holocaust»,sagt er. Der Filmemacher Roberto Benigni habe zwar gezeigt, dass mander Diktatur auch mit Humor begegnen könne. «Aber das ist einschmaler Grat. Hier ist er nicht getroffen.» Gerade weil derhistorische Abstand größer werde, sei eine seriöse Behandlung desThemas wichtig. Und auch Lea Rosh, Mitinitiatorin des BerlinerHolocaust-Mahnmals, glaubt nicht, «dass das Thema eines ist, über dasman sich lustig machen kann. Dazu sind die Verbrechen zu gewaltig.»

Doch die Fans dominieren. Von «supergeil» bis «voll der Hammer»reichen die Kommentare, und manche meinen sogar, «so muss Geschichteverkauft werden». Selbst mancher Intellektuelle ist enthusiastisch:«Das ist heute die einzig richtige Art, mit dem Thema umzugehen»,meint etwa der jüdische Publizist Henryk M. Broder. «Dass Hitler einMörder war, wissen wir, das muss nicht in jedem Abituraufsatz stehen.Aber Moers zeigt wunderbar, auf was für eine erbärmliche Figur, wasfür einen Sesselpupser, die Deutschen hereingefallen sind. Und dasist toll.»

Kein Wunder, dass die Wirtschaft auf den Zug aufspringen will. DerKlingeltonanbieter Jamba verkaufte schon zehntausende «Adolf»-Filmchen fürs Handy. «Der Bonker» gehörte zeitweilig zu den fünf ammeisten gekauften Downloads, sagt Jamba-Sprecher Niels Genzmer.Einige Sender dagegen, etwa RTL II, ProSieben und die Musiksender MTVund Viva, weigern sich, Werbung für den «Adolf»-Klingelton zuschalten - worüber sich Genzmer wundert: «Wir bitten doch nicht umeinen Gefallen, sondern sind gute Kunden, die bezahlen.» Schließlichsei das Filmchen doch «unverfänglich». «Erst hieß es, das seirechtsextrem, dann, es könne so verstanden werden. Wir können dasnicht nachvollziehen.»

«Wir senden nicht alles und behalten uns vor auszuwählen», betontRTL II-Sprecher Frank Lilie. Bei «Der Bonker» seien es «inhaltlicheGründe» gewesen. «Wir wollen kein potenzielles Forum für möglicheMissverständnisse bieten.» Jamba versucht weiter, seine Spots bei denSendern loszuwerden. MTV bedauert, dass Werbung eben Werbung sei. Dafehle das redaktionelle, erklärende Umfeld. Deshalb lehnte der Senderdas Reklamefilmchen ab. Das Video mit dem falschen Führer in derWanne sendete MTV hingegen.