Auf Reisen mit Clueso Clueso Handgepäck: Auf Reisen mit Clueso - Der Musiker spricht über seine Erfahrungen unterwegs und die Flüchtlingskrise

Erfurt - Clueso setzt seine Richtungsänderungssaga fort. Alle Songs auf dem leisen Akustikalbum „Handgepäck I“ sind auf Reisen entstanden, wobei die Stimme des 38-jährigen Sängers aus Thüringen diesmal durch feine Nuancen und Intonationen besticht.
Er erzählt von einer Fahrt mit der ersten Liebe nach Paris, der Einsamkeit nach Auftritten und von dem Moment, an dem man nach längerer Zeit heimkehrt. Wie das live klingt, ist am 15. November in Magdeburg und am 16. November im Leipziger Haus Auensee zu erleben. Wer kein Ticket bekommen sollte, hat vielleicht mehr Glück für Cluesos Weihnachtskonzert am 28. Dezember in Erfurt. Mit dem Sänger und Songschreiber sprach Olaf Neumann.
Wollen Sie mit der Platte „Handgepäck I“ erzählen, wer Sie eigentlich sind?
Clueso: „Handgepäck“ ist sehr nahe an mir, weil ich von Anfang an auf der Gitarre Songs geschrieben habe. Die drehen sich immer um mich, aber ich versuche auch, Figuren zu erfinden wie bei „Waldrandlichter“. Die lernen dann laufen und sind ich und trotzdem anders. Ich war nie in einem Internat, aber ich bin angeeckt mit meiner Kunst. Ich bin ausgestiegen aus der Gesellschaft und eingestiegen in die Musik.
Wollen Sie sich selbst überraschen?
Clueso: Natürlich. Ich freue mich zum Beispiel sehr über das Lied „Kurz vor Abflug“, weil ich das Thema bisher noch nicht hatte. Aber ich mache auch gerne Cover, zum Beispiel von den Puhdys. „Wenn ein Mensch lebt“ war ursprünglich für eine Mocumentary über Skaten in der DDR gedacht, aber beim Überspielen der Filmrolle wurde der Titel vergessen. Egal, ich habe ihn dann immer live gespielt. Die Version auf der Platte wurde übrigens mit nur einem Mikrofon aufgenommen.
In welchen Ländern und Orten haben Sie die 18 Songs aufgenommen?
Clueso: Unter anderen Fuerte Ventura, Neuseeland, Australien, Malaysia, Singapur, Bangkok, Sri Lanka, Paris. Im Prinzip war es eher eine Schnipseljagd. Die erste Strophe von „Einfache Fahrt“ ist bei einer Zugfahrt entstanden. Die Textdateien hatte ich in einem Ordner abgelegt, den ich „Handgepäck“ genannt habe, weil ich immer mit wenig Ballast reise. Auf diese Weise ist ein Sog entstanden.
Reisen Sie immer alleine?
Clueso: Nein, ich reise auch in kleinen Gruppen. Eine große Reise ist körperlich anstrengend; wenn du Glück hast wirst du gleich am Anfang krank. Ich buche wenig im Vorfeld, weil ich gern irgendwo hingespült werden will. Das kann auch anstrengend sein, denn manchmal hat man Bettwanzen. Da ich durch meinen Beruf viele Eindrücke habe, will ich auch mal ohne Menschen weg. Dann sitze ich im Zug, und ein Opi gegenüber packt seinen Wein und Käse aus und lädt mich ein. Und er ist auch noch Franzose! So was passiert einem nur alleine.
Welche Begegnung ist besonders in Erinnerung geblieben?
Clueso: Da wüsste ich gar nicht, was ich rausgreifen sollte. Ich habe so viel Gastfreundschaft erlebt! Es gibt den Satz: „Die schlimmste Weltanschauung haben die, die die Welt nie gesehen haben“. Da ist was dran. Das ist das Politische an meinen Songs. Mich fasziniert die Mentalität bitterarmer Leute in Äthiopien, die ihr Brot mir dir teilen. Sie wälzen die Probleme, die sie mit ihrer Regierung haben, nicht auf andere ab, indem sie sagen: „Die haben Schuld!“ Sondern sie sagen: „Wir müssen das lösen!“ Das ist etwas, das ich von einer Reise mitnehme. Immer schön menschlich bleiben und Empathie entwickeln!
Sie engagieren sich für SOS Mediterranée. Welches Ziel hat diese Hilfsorganisation?
Clueso: Das sind Boote, die rausfahren und versuchen, Menschen in Not zu retten. Aber sie werden nicht ausreichend unterstützt. Allein in diesem Jahr sind 2 400 Flüchtende gestorben. Niemand will sie haben, weil die Grenzen zu sind. Die Flüchtenden hängen manchmal tagelang auf dem Wasser, sind völlig dehydriert und manche sterben auch. Aber man kann sie doch nicht absaufen lassen! Doch genau das passiert gerade, weil die europäische Politik es einfach in Kauf nimmt. Ich glaube, wenn jemand seine Kinder in solch ein Scheißboot setzt, gibt es einen Grund dafür. Mir unbegreiflich, wer da keine Empathie entwickelt.
Haben Sie die Hoffnung, mit Ihrer Musik etwas anzustoßen?
Clueso: Ja, natürlich hoffe ich mit meiner Musik oder meiner Persönlichkeit etwas zu bewegen. Mir ging es ja mit anderen auch so. Ich habe bei einem Konzert für amnesty international Joan Baez und Patti Smith persönlich getroffen und gesehen, was sie bis heute für eine aktionistische Energie haben. Das sind Legenden, aber mit einem Augenzwinkern.
Die Lieder auf „Handgepäck I“ sind in Hotelzimmern und Autos, auf Inseln und Bergen entstanden. Welches war der ungewöhnlichste Ort, an dem Sie je ein Lied geschrieben haben?
Clueso: Ein Hotel in Thailand, wo die Tür offen war und man die Geräusche von draußen hören konnte. In Äthiopien habe ich in einem Bus geschrieben. Da wollte ich sogar aufnehmen, aber es war zu laut. Ein Lied habe ich auf der Tournee mit Udo Lindenberg gemacht.
Was befindet sich in Ihrem Handgepäck, wenn Sie reisen?
Clueso: Manchmal kaufe ich mir unterwegs eine Kindergitarre und verschenke sie dann wieder. Ich will nicht, dass man mir schon von weitem ansieht, dass ich Musiker bin. Manchmal habe ich sie aber von Anfang an dabei. Der Rest vom Handgepäck ist ein bequemes Outfit: eine dunkle Jeans und eine Jacke. Den Rest kann man sich meist vor Ort besorgen. Handgepäck hat den Vorteil, dass man nicht jeden Scheiß einkaufen kann; der Konsum fällt aus. Früher wollte ich immer etwas mit nach Hause nehmen, aber das passte meist nicht mehr rein.
Wie bewegen Sie sich vor Ort?
Clueso: Mit dem Bus oder der U-Bahn. Wenn das zu stressig ist, nehme ich auch mal ein Taxi. Ich achte darauf, dass ich mich in den ersten Tagen nicht fertig mache. Gerade wenn man einen stressigen Beruf hat, besteht die Gefahr, schnell krank zu werden. Deshalb ruhe ich mich immer zwei Nächte aus, bevor ich eine Hardcore-Dschungeltour oder eine Wanderung mache. Auf der Insel Tioman in Malaysia sind wir über einen Trampelpfad in den Dschungel reingewatschelt, der immer schmaler wurde. Wir wussten nicht, ob wir da je wieder rauskommen. Das war mein erstes Dschungelerlebnis. Gepennt haben wir zu zweit in einer Holzhütte zusammen mit Leguanen. Wenn im Dschungel die Sonne untergeht, erwacht das Leben.
Spüren Sie immer, wenn ein Lied zu Ihnen kommt?
Clueso: Ich merke immer, wenn ich eine besondere Energie dafür übrig habe. Ich kann mich dann abschotten und versuchen, das Lied fertig zu machen oder ich plänkele diesen Moment weg und halte ihn als Skizze fest wie 100.000 Sachen auf meinem iPhone. Vielleicht bleibt es da aber für immer liegen.