1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Tanztheater : Choreografin Pina Bausch: Zeitloses Lebenswerk - Ausstellungen, Tanztheater und Ballett in Berlin

Tanztheater  Choreografin Pina Bausch: Zeitloses Lebenswerk - Ausstellungen, Tanztheater und Ballett in Berlin

Von Andreas Montag 20.12.2016, 22:54
Szene aus „Das Frühlingsopfer“ von Pina Bausch
Szene aus „Das Frühlingsopfer“ von Pina Bausch Zerrin Aydin-Herwegh

Berlin - Sprüche, die in Stein gemeißelt sind, laden von jeher dazu ein, am Material zu klopfen: Ob eine wie groß auch immer gemeinte Welterklärung im Inneren nicht eigentlich hohl ist? Zweifel muss grundsätzlich erlaubt sein, zumal die Verzweiflung über die Ausbrüche des Hasses ja immer noch größer wird. Nun, da der Wahnsinn des Terrors auch uns Deutsche mit voller Wucht erreicht hat: Wie viel mehr an Kraft braucht man dagegen nun zum Vertrauen in den Sieg der Liebe, den die Christen in diesen Tagen feiern wollen?

Am wunderbaren, liebevollen Werk der Wuppertaler Choreografin Pina Bausch, die im Sommer 2009 im Alter von 69 Jahren gestorben ist, wird man indes nicht zweifeln müssen. Es hat sich eben mit einer noch laufenden Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau und gefeierten Aufführungen im Haus der Berliner Festspiele einmal mehr als staunenswert gezeitenfest erwiesen. Die Tänzerinnen und Tänzer übertragen Pina Bauschs leidenschaftliche Botschaft des Lebens unmittelbar. Dem Leitmotiv ihrer Arbeit darf man also getrost über den Weg trauen: „Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt.“

Dieser schlichte Satz markiert die Trennlinie zwischen klassischem Ballett und Tanztheater, zwei Schwestern von großer Schönheit, die kaum je zusammenkommen werden, wie man das auch bei sehr schönen, stolzen Frauen schon häufiger beobachtet hat. Es sei denn, sie fänden einander in der gegenseitigen, respektvollen (oder wenigstens neidlosen) Anerkennung ihrer Unterschiedlichkeit.

Wuppertaler Choreografin Pina Bausch: Perfektion in Tanztheater und Ballett

Beim Ballett, das seinen Zauber in höchster Perfektion entfaltet, muss jeder Schritt, jede Geste, erst recht jeder Sprung „sitzen“. Dabei geht es nicht nur um großen Fleiß, sondern auch um hohe Musikalität, um Teamgeist und Gehorsam.

Dem Tanztheater der Pina Bausch sind diese Tugenden sämtlich nicht fremd, aber hier geht es viel stärker um die gleichzeitige Ausprägung der Individualität wie des Gruppenzusammenhangs. Beides wird gebraucht, um arbeiten zu können - beides wird sich aber eben auch während der Produktion noch formen und deutlichere Gestalt gewinnen können.

Als jetzt in Berlin an zwei Abenden Pina Bauschs „Palermo Palermo“ gezeigt wurde, war die leise Sorge, diesem 1989 uraufgeführten Stück über die Liebe (wie alle, die sie schrieb und inszenierte) könnte ein Hauch von Musealität anhaften, Sekunden nach Beginn verflogen: Krachend stürzt eine Mauer ein, das Spiel beginnt, bevor der Staub noch ganz verflogen ist.

„Palermo Palermo“: Moderner ist Theater nie gewesen

Liebe und Eitelkeit, Hingabe und Hass, weibliche Selbstbehauptung und männliche Torheit, auch Gewalt - all das wird in einem märchenhaften, oftmals auch komischen Reigen vertanzt. Am Ende werden die Akteure wie vogelähnliche Wesen langsam und in einer langen Reihe über die Bühne schreiten, gehockt, nicht aufrecht, aber dabei doch in solch berührender Würde, dass man dabei einen Kloß in der Kehle spüren kann.

Moderner ist Theater nie gewesen, weil Pina Bausch nicht um jeden Preis modern sein wollte. Sie fiel auf - erst als Skandal, dann als Ikone. Aber sie wollte stets nur Eines: Von der Schönheit des Lebens singen, wie große Dichtung, Komposition und Malerei es tun. Dieses Theater hat alles in sich vereint. Das macht seine Größe aus. (mz)

„Pina Bausch und das Tanztheater“ ist bis zum 9. Januar geöffnet; Gropius-Bau Berlin, Niederkirchnerstraße 7, Mi-Mo und an den Feiertagen 10-19 Uhr, Di sowie am 24. und 31.12. geschlossen, Eintritt 10, erm. 6,50 Euro, bis 16 Jahre frei; ab 21.12. Filmprogramm