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Carlos Fuentes Carlos Fuentes: 80 Jahre und kein Ruhestand

Von Klaus Blume 10.11.2008, 10:14

Berlin/dpa. - In seinen Romanen hat er das Wesen des Mexikaners seziert und Brücken zwischen Amerika und Europa geschlagen. Als linker Intellektueller hat er immer wieder zu politischen Fragen Stellung genommen, und auch im Alter wird Fuentes nicht schaffensmüde: Anfang Oktober erschien sein jüngster Roman - rechtzeitig zum 80. Geburtstag, den Carlos Fuentes am 11. November feiert.

Fuentes ist ein Weltbürger, der je die Hälfte des Jahres in Mexiko und in London lebt. Als Sohn eines mexikanischen Diplomaten in Panama geboren, kam er schon früh viel herum. Sein Vater vermittelte ihm die Liebe zur Literatur. Bevor er sich ganz dem Schreiben verschrieb, studierte Fuentes Rechtswissenschaften in Mexiko und Genf und arbeitete als Kulturattaché an einer mexikanischen Botschaft. Viele Jahre später, von 1975 bis 1977, vertrat er sein Land auch als mexikanischer Botschafter in Paris.

1954 erschien Fuentes' Kurzgeschichtensammlung «Los días enmascarados» (dt. 1988, Verhüllte Tage). In seinem ersten Roman, «La región más transparente» (1958, dt. 1974, Landschaft im klaren Licht) zeichnete er ein Porträt von Mexiko-Stadt. Es folgten Romane wie «La muerte de Artemio Cruz» (1962, dt. 1964, Nichts als das Leben), «Cambio de piel» (1967, dt. 1969, Hautwechsel) oder «Terra Nostra» (1975, dt. 1979), die längst Klassiker der lateinamerikanischen Literatur geworden sind.

Zusammen mit dem Kolumbianer Gabriel García Márquez und dem Peruaner Mario Vargas Llosa wurde Fuentes zum Exponenten des «Boom», jener Bewegung, die vor rund 40 Jahren die Literatur Lateinamerikas weit über die Grenzen des Subkontinentes hinaus bekanntmachte. Fuentes schrieb aber nicht nur Belletristik, sondern machte sich auch als Literaturwissenschaftler einen Namen. Er hielt Gastvorlesungen in den USA und hatte zeitweilig eine Professur in Harvard.

Das ebenso enge wie schwierige Verhältnis Mexikos zu seinem nördlichen Nachbarn ist Thema von «La frontera de cristal» (1995, dt. 1998, Die Gläserne Grenze). Wie sehr Fuentes auch das geistige Erbe der Alten Welt inspiriert, zeigt er in «Cambio de piel», wo aztekische und griechische Mythen zusammenfließen. In «Inquieta compañía», einer Sammlung phantastischer Geschichten (2004, dt. 2006, Unheimliche Gesellschaft), lässt er Graf Dracula statt nach London nach Mexiko-Stadt reisen und Unheil verbreiten.

So erlebt man Fuentes immer wieder als literarischen Brückenbauer zwischen Mexiko und Europa. «Der Atlantik ist für mich kein Abgrund, sondern eine Brücke. Die Wasser des Mittelmeers fließen vom Bosporus und Andalusien zu den Antillen und zum Golf von Mexiko», schreibt er in dem Essayband «En esto creo» (2002, dt. 2004, Woran ich glaube).

In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa sagte Fuentes einmal, es sei für ihn im Leben am wichtigsten gewesen, dass er seiner Berufung folgen konnte. «Dies ist die Formel vom Glück, denn das zu tun, was man mag, ist keine Arbeit», meinte er. Aber die berufliche Erfüllung bewahrte Fuentes nicht vor Schicksalsschlägen. Seine beiden Kinder aus zweiter Ehe, Carlos und Natascha, starben im Alter von 25 und 29 Jahren. Nach dem Tod der Tochter schrieb Fuentes «Todas las familias felices» (2006, dt. 2008, Alle glücklichen Familien), einen Roman um 16 Familientragödien. Soeben erschienen ist in Mexiko «La voluntad y la fortuna» (Der Wille und das Glück).

Der Grandseigneur der mexikanischen Literatur hat in seinem Leben viele Auszeichnungen gewonnen. Schon 1987 erhielt er den Cervantes-Preis, den höchsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt. Da fehlt eigentlich nur noch der Nobelpreis. Jedes Jahr steht Fuentes auf der Liste der Kandidaten, doch glaubt er nicht mehr dran. «Ich selbst werde ihn nicht mehr bekommen. Das heißt nicht, dass er mich nicht interessiert, aber ich glaube, meine Generation wurde mit ausgezeichnet, als García Márquez 1982 den Preis erhielt», sagt er.