Camilo Guevara bewahrt Ches Erbe
Wien/dpa. - Seinen Vater kannte er nur in Schwarzweiß. Erst bei seinem Besuch in Wien in dieser Woche erfuhr Camilo Guevara (48), ältester Sohn des kubanischen Revolutionsidols Che Guevara, dass es von seinem Vater auch ein Farbfoto gibt.
Ansonsten sind seine Erinnerungen an den Helden der 68-Generation blass: «Ich war erst drei Jahre alt, als Che in den Kongo ging; und als er zurückkam, durften nicht einmal wir Kinder wissen, dass er in Havanna und unser Vater war.» Immerhin habe sich der Nationalheld ja heimlich auf den revolutionären Kampf in Bolivien vorbereitet, für die Familie war da keine Zeit. Dennoch, beteuert Camilo heute, Ernesto Che Guevara sei ein guter Vater gewesen.
Als Leiter des Ernesto Guevara Instituts in der kubanischen Hauptstadt pflegt Camilo Guevara jetzt das Erbe des Zigarre- rauchenden Asthmatikers, der wie kein Zweiter zum Idol ganzer Generationen der Linken in aller Welt geworden ist. Die Wiener Galerie Westlicht, Österreichs wichtigstes Schaufenster für Fotografie und Fotokunst, zeigt von diesem Dienstag an (bis 31. Juli) 150 Fotografien des studierten Mediziners und seines revolutionären Umfelds. Denn Che Guevara wäre am 14. Juni 80 Jahre altgeworden. Dabei ist auch das weltberühmte Porträt des kubanischen Fotografen Alberto Korda und Schnappschüsse, die Che und Fidel Castro selbst machten.
Camilo Guevara, der nach Ches revolutionärem Mitstreiter Camilo Cienfuegos Gorriarán benannt wurde, hat «keine Probleme» mit seinem weltberühmten Übervater: «Ich bin Camilo, habe meine eigene Persönlichkeit.» In Kuba sei es gut, Guevara zu heißen. «Die meisten Kubaner verehren Che bis heute, in ihrem Herzen sind sie immer Revolutionäre geblieben», schwärmt der Sohn. «Zumindest die meisten...», räumt er ein. Dennoch will er nicht gern vor einem der Poster-großen Porträts von Che Guevara in den Räumen der Galerie fotografiert werden.
Tatsächlich sieht der gelernte Jurist, der längere Zeit in Russland lebte, seinem Vater kaum ähnlich. Mit seinem langen blonden Haar, das zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden ist, passt er äußerlich eher auf eine US-amerikanische Harley Davidson und die Route 66, als in ein kubanisch-revolutionäres Umfeld. Camilo ist das älteste der vier Kinder, die Che mit seiner zweiten Ehefrau Aleida March, hatte. Sein ältestes Kind, die 1956 geborene Hildita aus der ersten Ehe mit Hilda Gadea, starb 1995 an Krebs.
Warum sein Vater als Revolutionär einen derart hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat, ist auch für Camilo «ein Phänomen». Liegt es vielleicht daran, dass sein Kopf mit dem wallenden Haar, der Mütze und dem unordentlichen Bart so einprägsam war? Wohl kaum ein anderes Porträt wurde so häufig auf menschliche Haut tätowiert, auf T-Shirts, Poster oder Fahnen gedruckt, wie das von Che Guevara: «Vielleicht ist es, weil er eigentlich ein Mensch mit hohen Idealen war. Er hat nicht für die Revolution an sich gekämpft, sondern es ging ihm immer nur um die Menschen.» Che Guevara sei zwar eine Guerillero gewesen, «aber er machte auch jeden Sonntag Sozialarbeit, wenn er zu Hause in Kuba war». Dazu komme natürlich auch noch «seine äußerliche Erscheinung, seine Lässigkeit».
Natürlich, so meint Camilo, der seit Jahren die Welt bereist, um die Erinnerung an seinen Vater wach zu halten, werde das revolutionäre Erbe mit dem abzusehenden Tod der alten Revolutionärsgarde in Kuba weiterbestehen. «Schauen Sie sich doch das wachsende soziale Unrecht in der Welt an!» Kuba, so meint Camilo, der sonst nicht gern über die politische Lage auf der Insel sprechen mag, könne auch da in Zukunft seine Rolle spielen. «Revolution heißt doch nicht automatisch kriegerische Auseinandersetzung. Man kann die richtigen Ideen auch anders verbreiten.»