Bühne Bühne: «Keine Schmerzen!» sorgt für Begeisterung

Magdeburg/dpa. - Die Songzeile des Hannoveraner Musikduos Schneewittchen«Mit einem toten Herzen fühlst Du keine Schmerzen» gab demgenreübergreifenden Werk den Titel. Die revue-ähnliche Bilderkaskadelöste Begeisterungsstürme aus - selbst bei dem eher konservativgestimmten Premierenpublikum, das üblicherweise gediegeneitalienische Opern gewagten Experimenten aus Heavy-Metal-Klängen,schrägen Keybordsounds und gruftig klingenden Tönen vorzieht.
Der musikalische Totentanz «Keine Schmerzen!» ist eine gelungeneNeuauflage des Mitte der siebziger Jahre verfilmten Musicals «TheRocky Horror Picture Show». Im Bühnenmittelpunkt steht einüberdimensionales pulsierendes Herz, um das herum das DuoSchneewittchen - Sängerin Iser und Thomas Duda am Keyboard - und die18 jungen Tänzer eine schwarze Geschichte über die düsteren Seitender Liebe entwickeln.
Iser, die mit Duda seit zehn Jahren in extravagantenMusikperformances auftritt, ist dabei schwarze Madonna, Königin derNacht, eiskalte Hexe, weiblicher Dracula und unschuldige Heiligezugleich. Aufgedonnert mit wüster schwarzer Haarpracht, beinahe nacktmit blutroten Brustwarzen und totenbleich geschminkt bricht sieTabus, rebelliert, schreit und kämpft. Ihre selbst geschriebenendeutschen Texte attackieren gesellschaftliche Zwänge und reflektierentraditionelle Rollenklischees. Thomas Duda ist kongenialer Komponistund Pianist. Er erfindet Puzzles aus klassischer Musik, sphärischenComputerklängen, elektronischen Beats, rockigen E-Gitarren, sakralenOrgeltönen und dröhnenden Techno-Bässen.
Passend dazu wurden Bühnenbild (Iris Kraft), Kostüme (FrankLichtenberg) und die gesamte Choreografie umgesetzt. Selbst dieFarben - weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz -erinnern dabei eher an eine Schwarze Messe als an das berühmteGrimm'sche Märchen von Schneewittchen. Galguera lässt nicht dieLiedtexte nachtanzen, sondern entwickelt sensible Miniaturgeschichtendazu, quasi kommentierend. Kleine Partnerdramen sind zu sehen, großeSehnsuchtsausbrüche, stille Leidensgeschichten und am Ende eingigantischer Gefühlsausbruch, bei dem die nur mit Bandagen undKopfverbänden bekleideten Tänzer mit blutigen Händen gegen den Todantanzen.
«Keine Schmerzen!» hat die Chance, eine neue Kult-Show in derdeutschen Musical-Szene zu werden, auch wenn die Macher ihr Produktkeiner Schublade zuordnen möchten. Er wolle Überschneidungen ganzverschiedener Kunstformen ausprobieren, sagte der 37-JährigeChoreograf Galguera, der als einer der jüngsten BallettchefsDeutschlands schon Ende November vergangenen Jahres mit seiner erstenUraufführung, «Requiem», überregionale Schlagzeilen machte. Kühnverlegte er Mozarts Totenmesse in das amerikanischeHochsicherheitsgefängnis Guantanamo auf Kuba und zeigte, dass seineAuffassung von modernem Tanztheater die Zusammenführung aller Künstebedeutet - Gesang, Tanz, Bildende Kunst und Schauspiel.
