Roman „Lichtungen“ Buchpreis-nominiert: Iris Wolff über eine Freundschaft
Ein Mann und eine Frau, deren Leben sich immer wieder kreuzen. Und der Kommunismus. Iris Wolff hat mit „Lichtungen“ einen neuen Roman vorgelegt, der für den Deutschen Buchpreis nominiert ist.
Berlin - Ein Mann und eine Frau sind auf einer Reise. Kato, eine Künstlerin mit Straßenbildern, und Lev, über den man erst mal nicht so viel weiß. Sind die beiden zusammen? Oder waren sie es mal? Das bleibt in Iris Wolffs neuem Roman „Lichtungen“ lange offen und das ist auch so gewollt.
Denn sie baut neben der bloßen Handlung, also der Aktion, ein Gebilde aus Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen auf - man könnte es als einen langsamen poetischen Flow bezeichnen, in den der Leser kommt. Das Nicht-sagen, das Nicht-tun - zwischen den Zeilen lesen und denken. Mit ihrem neuen Werk steht Wolff auf der Liste der Kandidaten für den Deutschen Buchpreis, der am 14. Oktober verliehen wird.
Rückwärts erzählen
In neun Kapitel, die rückwärts gezählt werden, erzählt das Buch dann auch rückwärts von den beiden Leben, die sich in jungen Jahren gekreuzt haben irgendwo in Rumänien. Seither verbindet sie ein Band. Das Buch macht auf seinen 252 Seiten zeitliche Sprünge. Nun also viel später - zu Beginn - sind Kato und Lev sechs Wochen unterwegs. Zürich, Frankreich und dann nach Osten an der Küste entlang.
Dieser Flow, von dem die Rede war, hört sich zum Beispiel so an: „Sie hatten sich treiben lassen, manchmal auch Tage getrennt voneinander verbracht, sie brauchten für ihre Launen und Einfälle nicht viele Worte.“ Oder: „Sie besichtigten Städte und Dörfer, unternahmen Wanderungen, gingen schwimmen, während sich zum Herbst hin die Strände leerten, als gäbe es keine Zeit, nur diesen endlosen Raum aus Straßen, der vor ihnen lag.“ Der Erzähler setzt hinzu: „zwischen Gestern und Morgen gab es nur eine hauchdünne Schicht“.
Diese Beziehung steht im Vordergrund - klug flechtet die Autorin Zeitbezüge, Historie, Politik und Räume ein. Dem Leser wird klar, einen Teil seiner Familie hat Protagonist Lev in Rumänien, wo er auch seine Kindheit verbracht hat. Von einer Revolution ist die Rede. Mal liest man von der Pille, die sich eine Frau früher über Freunde aus Deutschland besorgte - über die Grenze, eingenäht in einem Mantelsaum. Der Kommunismus wird an einer Stelle so beschrieben: „Man hatte seine Felder dem Staat geliehen und würde sie, wenn die Sache ausgestanden war, wieder zurückbekommen.“ Eine Frau nimmt ein Kofferradio mit auf ihren Acker und lässt es über Nacht laufen, um Wildschweine zu vertreiben. „Hoffentlich nicht Radio Freies Europa, hatte Lev gespottet. Wo denke er hin, sagte sie, die Schweine sollen schließlich kommunistisch bleiben.“
Das Buch strahlt eine Ruhe aus
Iris Wolff hat schon mehrere Romane geschrieben, in denen es auch um Lebensentwürfe, Geschichte, Freiheit oder Zufall geht. Auch das jetzige Buch strahlt eine Ruhe aus. Wolff wurde selbst 1977 in Siebenbürgen in Rumänien geboren. Die Autorin lebt in Freiburg im Breisgau. Der Deutsche Buchpreis wird am Montag in Frankfurt am Main verliehen. Auf der Shortlist stehen neben „Lichtungen“ auch „Hasenprosa“ von Maren Kames, „Hey, guten Morgen, wie geht es dir?“ (Martina Hefter), „Die Projektoren“ (Clemens Meyer), „Vierundsiebzig“ (Ronya Othmann) und „Von Norden rollt ein Donner“ (Markus Thielemann).