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Energiebündel und Frauenschwarm  Bryan Adams Konzert in Leipzig

Von Mathias Schulze 29.11.2018, 09:05
Bryan Adams bei einem Konzert am 23. November.
Bryan Adams bei einem Konzert am 23. November. imago sportfotodienst

Leipzig - Regungslos, wie in Stein gemeißelt - so steht er da, der Oberkörper ist nackt. Noch bevor alle Hits in der nicht ganz ausverkauften Arena Leipzig von der Leine gelassen werden, erscheint der 59-jährige Bryan Adams auf der riesigen Videoleinwand. Da turnt das weibliche Geschlecht um den kanadischen Rocksänger, da klingelt ein Telefon. Adams aber verharrt in monumentaler Ruhe, das Handy schmeißt er lässig hinter sich.

Ja, so kann man es machen, wenn man schon zu Lebzeiten als Legende gilt. Und prompt folgt das Spiel mit der eigenen Überhöhung. Kaum schwirrt eine brummende Fliege durchs Bild, schon zuckt die lange Zunge. Zack, weg ist die Fliege, verschlungen von einem Sänger, der gleich krachend mit dem Song „Ultimate Love“ beginnen wird.

Willkommen in der Bryan Adams-Show! Der smarte Gastgeber trägt Jeans und ein Jackett mit Einstecktuch, der Veganer zeigt, was passieren kann, wenn man auf tierische Fette verzichtet. Adams ist schlank, drahtig und athletisch. Ein Energiebündel, ein Frauenschwarm. Zu „Can’t Stop This Thing We Started“ läuft er auf der Leinwand durch ein Einkaufsparadies, ein Küsschen hier, ein Gruß da, ein paar Taler für Bedürftige dort. So sieht er sich gern, so lieben ihn seine Fans, gekommen sind drei Generationen.

Der bodenständige Superstar, der in Interviews auf unsere Umweltzerstörungen hinweist und für soziales Engagement einsteht, ist auf der Bühne ein wohltemperierter Entertainer. Nach „Run To You“ grüßt Adams ins familiäre Rund: „Ich singe heute alle Songs. Also alle, an die ich mich erinnern kann.“ Spätestens jetzt hat der Gentleman die Herzen erobert, zu „Please Forgive Me“ gibt es den ersten von vielen Publikumschören, die textsicher unter die Haut gehen.

Bryan Adams spielt in Leipzig Songs aus alten und neuen Alben

Es sind diese leisen Lieder, die Adams rauchiger, wunderbar kratziger Stimme den nötigen Raum schenken. Gespielt werden „Here I Am“, „Right Here Waiting For You“ oder auch „Everything I Do“. Und tatsächlich, selbst die größten Schmachtfetzen versinken dank dieser kräftigen Stimme nicht im sentimentalen Kitsch. Die lauteren Töne geben aber ohnehin den Takt vor, die Band um den langjährigen Freund und E-Gitarrist Keith Scott spielt eine Menge handfesten Rock.

„Cloud Number Nine“, „18 Til I Die“ oder auch  „Back To You“, das mit einem exzessiven Klavierspiel begleitet wird, knallen eine heftige Rock-’n’-Roll-Atmosphäre in die Luft. Fetzige Rockabilly-Nummern wie „You Belong To Me“ lassen die Hüften kreisen. Wippende Beats, fauchende Gitarren, treibende Stadionhymnen. Jung, wild und frei. „Wenn ich untergehe, gehe ich rockend unter“, so heißt es in „Go Down Rockin´“. Das ist aber nur eine Botschaft des Abends, Tempowechsel allüberall.

Mitten im Trommelgewitter fängt die Leinwand Adams ganz allein im Nebel und im Scheinwerferlicht ein. Wie einsam kann ein Frauenheld eigentlich sein? „Zusammen zu singen: das ist eine humane Magie, das ist und bleibt mein Traum“, so Adams. Bei „Cuts Like A Knife“ legt sich warmes Sonnenuntergangslicht über das Publikum. Ein Abend zum Schwelgen.

Bryan Adams auf Tour in Leipzig: Schmachtfetzen und Rock-Nummern

Adams kündigt „It’s Only Love“ an, er erinnert daran, dass er jenen Song im Duett mit Tina Turner gesungen hat. Trommelwirbel erklingt, die Weggefährten halten den Atem an. „Aber sie ist nicht hier“, so ein scherzender Adams, der alsbald „Summer Of ’69“ ins elektrisierte Rund schickt: „Those were the best days of my life“. Die Hymne der Jugend und Unbeschwertheit peitscht alle von den Sitzen, jeder hat zu den Zeilen, die von den besten Tagen des Lebens berichten, eigene Erinnerungen. Aber im gemeinsamen Chor vereint sich das Publikum, eine kollektive Wehmut, gepaart mit einer gehörigen Portion Lebenswillen, flutet spürbar durch die Mehrzweckhalle.

Immer wieder flimmern kleine Kunstwerke von der Leinwand. Adams, der sich auch als Fotograf einen Namen gemacht hat, ist wohl der Rockstar mit den originellsten Videos. Es gibt schwarz-weiße Bilder, fliehende Wolken und schwebende Astronauten, die auf den blauen Planeten blicken.

Bryan Adams in Leipzig - Politisches wird poetisch

Da werden unzählige Porträts von Menschen aus aller Herren Länder gezeigt - derweil formt sich in ihrer Mitte die Silhouette des Künstlers, Adams Konterfei erscheint lediglich durch ein Spiel mit hellen und dunklen Farbakzentuierungen.

Das Politische wird poetisch vermittelt. „Mein Vater sagte immer, dass kein Mensch eine Insel sei, keiner kann es allein schaffen. Alle für einen, und alle für die Liebe“, so Adams. Am Ende schultert er allein die Akustikgitarre, intim geht es mit „Straight From The Heart“ und „All For One“ in die eiskalte Nacht. Ein unprätentiöses, ein schönes Konzert. (mz)