1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Bravo-Dr.-Sommer-Studie: Bravo-Dr.-Sommer-Studie: "Generation Selfie" lässt sich Zeit für die erste sexuelle Erfahrung

Bravo-Dr.-Sommer-Studie Bravo-Dr.-Sommer-Studie: "Generation Selfie" lässt sich Zeit für die erste sexuelle Erfahrung

Von Alexandra Ringendahl 25.01.2016, 18:18
Das Cover einer "Bravo"-Ausgabe
Das Cover einer "Bravo"-Ausgabe dpa Lizenz

Köln - Haben Jugendliche wirklich viel früher Sex als ihre Altersgenossen vor zehn Jahren? Und wie beeinflussen Youtube, Instagram und Facebook den Erfahrungshorizont der jungen Leute? Die Bravo-Dr.-Sommer-Studie hat zum dritten Mal Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren zu ihrem Gefühlsleben, ihrem Sexualverhalten und ihrer Körperwahrnehmung befragt.

Die Antworten der 2492 Jugendlichen zeichnen ein aktuelles Bild der „Generation Selfie“: Sie sind geprägt durch soziale Netzwerke, aber keineswegs früher sexuell aktiv als Jungen und Mädchen vor ihr.

Erster Sex mit 17

Die gängige These, dass Jugendliche immer früher sexuelle Erfahrungen machen, wird durch die Studie widerlegt. Die „Generation Selfie“ lässt sich Zeit für die erste sexuelle Erfahrung. Erst 27 Prozent der befragten 16-Jährigen und 47 Prozent der 17-Jährigen hatten schon einmal Geschlechtsverkehr. Dabei fühlen sich die Jugendlichen gut informiert in Sachen Liebe und Sexualität. Als Verhütungsklassiker wurden genannt Kondom (Mädchen: 68 Prozent, Jungen: 84 Prozent) sowie die Pille (Mädchen: 74 Prozent, Jungen: 32 Prozent).

Informationsquellen

Wichtigste Informationsquelle im Alltag ist für die Mädchen die eigene Mutter (64 Prozent), gefolgt vom Schulunterricht und den Lehrern (52 Prozent), dem Internet (27 Prozent) und der besten Freundin (26 Prozent). Bei den Jungen sind die wichtigsten Informationsquellen Schule und Lehrer (58 Prozent) gefolgt von der Mutter (45 Prozent), dem Internet (30 Prozent) und dem Vater (28 Prozent).

Unzufrieden mit dem Körper

Die Jugendlichen der Generation Selfie haben noch kein gelassenes Verhältnis zu ihrem eigenen Körper. Nur die Hälfte der Mädchen (52 Prozent) und 67 Prozent der Jungen sind laut der Studie mit ihrem Körper zufrieden. Zum Vergleich: 2006 waren es bei den Mädchen noch 66 Prozent. Besonders brisant: Das Gewicht spielt in der Eigenwahrnehmung eine zentrale Rolle. Die überwiegende Mehrheit (78 Prozent) meint, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Beliebtheit und „dünn sein“.

Dabei gehen die Jugendlichen sehr kritisch mit ihrem eigenen Gewicht um, Mädchen mehr als Jungen. Nur etwa die Hälfte der zwölfjährigen Mädchen ist mit ihrem Gewicht zufrieden. Ab 13 Jahren kontrolliert bereits jedes dritte Mädchen sein Gewicht.

Daher spielen Diäten schon sehr früh eine Rolle: Jede zehnte der befragten Elfjährigen und jede vierte Zwölfjährige sagt, sie habe schon mal eine Diät gemacht, um abzunehmen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite zu den Themen: Soziale Netzwerke, Selfies und Pornografie.

Soziale Netzwerke und Selfies

Kein Wunder, dass den Jugendlichen die Außenwirkung und der Vergleich mit Gleichaltrigen extrem wichtig sind. Fast die Hälfte der zwölfjährigen Mädchen nutzt Plattformen wie Instagram, Facebook, Youtube oder Snapchat, um Selfies zu posten –in der Hoffnung auf ein positives Feedback. Mädchen sind dabei aktiver als Jungen, ihre Fotos öffentlich zu machen. Im Alter ab 13 Jahren sagen im Durchschnitt 67 Prozent der Mädchen und 49 Prozent der Jungen, sie posteten Selfies im Netz.

Das Posten der Selbstporträts bedeutet für die jungen Mädchen allerdings nicht nur Spaß, sondern auch einen hohen Konkurrenzdruck. Sie glauben, sie müssen gewissen optischen Kriterien entsprechen und holen sich die Bestätigung ihres Selbstwertgefühls über möglichst viele „Likes“ und nette Kommentare.

„In gewisser Weise ist die Generation Selfie eine Generation von Normopathen, die sich lieber am Geschmack der Masse orientiert, als eigenwillig mit Individualität zu experimentieren und im Körperbild ganz bewusst auf Brüche mit der Norm zu setzen“, kommentiert Beate Großegger, Studienleiterin beim Wiener Institut für Jugendkulturforschung.

Dass Postings oft eine Eigendynamik entwickeln, musste ein Teil der Teenies schon am eigenen Leib erleben: 23 Prozent der befragten Mädchen und 16 Prozent der Jungen wurden schon mal wegen ihres Aussehens auf den Fotos gemobbt.

Pornografie

Das Erstellen von Nackt-Selfies oder Bildern in erotischen Posen sind nur für einen Teil der Teenager ein Thema. Jeder zehnte Jugendliche im Alter von 14 Jahren hat solche Nacktfotos schon von sich gemacht. Pornografie spielt aber für die Mehrheit der befragten Mädchen und die Hälfte der befragten Jungen keine Rolle. Die Hälfte der 15-jährigen Jungen und ein Drittel der Mädchen im selben Alter haben schon „echte Pornos“ gesehen.

Was kommt nach den Selfies?

Der Selfie-Trend setzt voraus, dass für die meisten Internet-Nutzer ihre Privatsphäre kein großes Thema ist. Das ist derzeit der Fall. Jugendforscherin Großegger sieht jedoch eine sich andeutende Trendwende am Horizont aufziehen. In der Jugendkultur formiere sich eine „digitale Avantgarde“, die sich nicht mehr an der Anzahl der Facebook-Freunde oder der durch „strategische Selbstpräsentation erzielten Likes“ messe.

Diese setzt andere Prioritäten: weniger Kontakte, mehr Beziehungsqualität. Im Zuge dessen werde Privatheit wichtiger: „Im Sinne eines Rechts darauf, als »digital native« auch wirklich einmal für sich allein zu sein und nicht ständig dem Zwang zur Selbstdarstellung zu unterliegen.“