Bond für das 21. Jahrhundert Bond für das 21. Jahrhundert: «Casino Royale» mit der Lizenz zum Lieben

London/dpa. - Und man fragt sich, ob Daniel Craig dabei nicht ein wenig mit denblauen Augen in die Kamera zwinkert - nach dem Motto: «Ich weiß, dasseuch jetzt Halle Berry einfällt. Aber wir sind hier nicht in "Stirban einem anderen Tag". Wir sitzen im 21. Bond-Film - mit einem neuen007, einem für das 21. Jahrhundert.»
Für so manchen und manches ist in «Casino Royale» einfach keinPlatz mehr. Miss Moneypenny, die immer weiche Knie bekam, sobald 007ihr Vorzimmerreich betrat? Adé, du Relikt einer Zeit, da Machos imSmoking noch von der gesamten Damenwelt angehimmelt wurden. Und Q,der Tüftler? Was könnte er noch erfinden, das in unsererhypertechnologisierten Zeit wirklich jemanden zum Staunen bringt?
Bond-Fans bietet «Casino Royale» zwei Möglichkeiten: Aussteigenund mit der DVD-Sammlung «Bond 1-20» in Nostalgie verfallen, oderUmsteigen auf einen Bond, der ganz anders ist. Den großartigen Nestorder 007-Serie, Sean Connery, beschrieb Craig so: «Er ist böse undhart, voller animalischer Energie und zugleich elegant.» All das istder Neue auch, und noch mehr: Der Craig-Bond ist einer, der tiefeGefühle nicht nur erlebt, sondern auch zugibt.
Da sitzt er unter der Dusche, lässt sich nass regnen inSmokinghemd und Hose, neben der schönen Vesper Lynd - gespielt vonder hinreißenden, ebenfalls blauäugigen, Französin Eva Green. Sieweint verzweifelt. Er steht kurz davor. «Du steckst in DeinerRüstung», wirft sie ihm in einer anderen Zweier-Szene vor. Und Bondsagt: «Ich habe keine Rüstung mehr, ... alles was ich bin, gehörtdir.» Ein 007 mit der Lizenz zum Lieben.
Kommen dabei Action, Spannung und Spezialeffekte nicht zu kurz?Nein, es geht gleich nach dem - eher untypischen - Vorspann los miteiner atemberaubenden Verfolgungsjagd, für die ein Held derGroßstadt-Kids engagiert wurde: Sébastian Foucan spielt einenBombenleger, aber das ist nebensächlich. Fans kennen ihn als großenParkour-Profi, als Extremsportler, der keine Grenzen akzeptiert. Erspringt und rast durch eine gefährliche Baustelle, klettert aufKräne, lässt sich runterfallen, alles nach Bestnormen der Free-Runner-Bewegung. Und Craig hält mit, verdient sich - wie auch inanderen Action-Szenen - Pluspunkte beim Publikum.
Allerdings: Zwischen der Vereitelung eines katastrophalenTerroranschlags auf das neue größte Passagierflugzeug der Welt inMiami und dem furiosen Finale samt Hauseinsturz in Venedig mitUnterwasser-Rettungsversuchen für Vesper Lynd liegen einige zu langgeratene Einstellungen, darunter am Pokertisch.
Aber der Mittelteil bietet auch die härteste Folterszene, die jein einem 007-Streifen gewagt wurde. Le Chiffre - der vom dänischenSchauspieler Mads Mikkelsen genial gegebene Bösewicht mit Tränen ausBlut - schlägt dem nackten Bond hart auf die Genitalien. Und der tut,was jeder Mann in dieser Lage tun würde - außer vielleicht RogerMoore, der bestimmt auch dann noch eine ironische Bemerkung draufhätte: Bond schreit gottserbärmlich und in Todesangst.
So mögen manche den bekanntesten aller Geheimagenten nicht sehen.Aber ist er ein «Weichei», bloß weil er Schmerzen zeigt wie einMensch aus Fleisch und Blut? Ob bei so viel Anderssein noch einweiterer Tabubruch nötig war, bleibt allerdings fraglich. Denn damitdürfte Craig die Traditionalisten unter den 007-Fans wirklich vor denKopf stoßen: «Wodka Martini!», verlangt er in einer Stress-Situation.«Geschüttelt oder gerührt?», fragt der Barkeeper grinsend. Und dieserneue Bond antwortet doch tatsächlich: «Sehe ich aus, als ob mich dasinteressiert?»