Böhse Onkelz Böhse Onkelz: Muskelrock für Millionen

Halle (Saale)/MZ - Ein „Für immer“ ist vorbei, eine Ewigkeit vergangen, wenn sie morgen auf die Bühne am Hockenheimring treten. Bassist Stephan Weidner, Sänger Kevin Russell, Gitarrist Matthias Röhr und Schlagzeuger Peter Schorowsky werden dann wieder die Band sein, vor der Söhne und Töchter immer gewarnt worden sind. Böhse Onkelz, böse Lieder! 200 000 Menschen werden ihnen zujubeln, an zwei Tagen hintereinander. Es ist nicht genau bekannt, wie lange es gedauert hat, bis die beiden Comeback-Konzerte ausverkauft waren. Dass es nur Minuten waren, ist allerdings sicher.
Kampf gegen Kritiker von Anfang an
Erstaunlich genug für eine Band, die seit ihrer Gründung im Jahr 1980 den Stempel „Nazi-Band“ trug. Die Onkelz, die auf frühen Alben ausländerfeindliche Stücke wie „Türken raus“ veröffentlicht hatten, kämpften Zeit ihrer Karriere mit Verkaufsboykotten, negativen Kritiken und einem Konsens sämtlicher Radiostationen, Stücke der Band nicht zu spielen.
Unterhalb der üblichen Abläufe in der Musikindustrie aber zimmert sich das Quartett um Stephan Weidner daraus sein Erfolgskonzept. Wir sind anders, wir sind vor allem nicht so, wie die anderen sind, sagen Lieder, die „Ich mache, was ich will“ und „Ich bin wie ich bin“ heißen. Wir sind echt und wir machen keine Kompromisse, lautet die Botschaft von Alben wie „Gehasst, verdammt, vergöttert“.
Wer Onkelz hört, lebt gefährlich, denn der Nazi-Verdacht schleicht der Kapelle nach, so oft sie auch versichert, sich von ihren Jugendsünden distanziert zu haben. „Aber nicht glaubhaft genug“, lautet der Vorwurf, der bleibt, so viele ausverkaufte Tourneen die Onkelz auch spielten, so groß die Hallen auch sind, die sie stets füllen, ohne ein Plakat zu kleben, eine Anzeige zu schalten oder gar auf der „Wetten, dass...?“-Couch zu sitzen.
Eine Existenz in einer Gegenwelt, in der sich die Fans des deftigen Hardrocks der Wahlhessen umso begeisterter auf die Seite der ehemaligen Schulfreunde schlagen, je aufgeregter die Außenwelt deren Verderbheit beklagt. Bei Konzerten inszenieren sich die Onkelz selbstironisch als das „Feindbild Nummer Eins“ einer Gesellschaft, die nur aus Lüge, Betrug und Geldgier besteht. „Finde die Wahrheit“, empfiehlt Sänger Russell, „hab keine Angst / finde die Wahrheit / so lange du noch kannst“. Vor den Bühnen stehen zehntausende junge Männer und auffallend viele junge Frauen, zumeist in Schwarz.
Vermeintliches Ende schockierte Fans
Sie singen voll Inbrunst jede Zeile mit: „Warum willst du laufen / wenn du fliegen kannst?“ Russell, geboren als Sohn eines englischen Piloten, der in Deutschland hängen blieb, hört man dann nicht mehr. Aber Onkelz-Fans müssen nicht hören, denn sie können es ja fühlen: Dies ist die Band, die ihnen aus der Seele spricht, dies sind die Lieder, die mit Texten voll Weltverachtung auf muskulösen Mitsing-Melodien von ihrem Leben erzählen, von ihren Zweifeln, von ihrer Liebe, von Freundschaft, von Abscheu vor der Konsensgesellschaft und Enttäuschung über die Rolle, die man selbst gezwungen ist, darin zu spielen.
Warum die Böhsen Onkelz nach ihrem Ende nur noch Negativschlagzeilen machten, lesen Sie auf Seite 2.
Als das Quartett vor neun Jahren bekanntgibt, sich auflösen zu wollen, sitzt der Schock tief. Doch das Ende scheint konsequent, begründet Weidner es doch damit, dass die Onkelz nie die Ambition gehabt hätten, „als Rockeremiten mit ergrautem Haar auf dem Rockolymp anzukommen“. Bei einem letzten Konzert auf dem Lausitzring versammelten sich 200 000 Fans zu einer Abschiedsmesse, von der viele, die dabei waren, bis heute als größtes, bestes und emotionalstes Konzert aller Zeiten schwärmen.
Nach ihrem Ende machten die Onkelz nur noch Negativschlagzeilen. Kevin Russell verursachte im Drogenrausch einen schweren Verkehrsunfall und musste ins Gefängnis. Stephan Weidners neues Projekt Der W bekam es nun mit Boykottdrohungen zu tun, obwohl der Kopf der Onkelz schon über Jahre Projekte für Opfer rechter Gewalt unterstützt und sich für Schulen gegen Rassismus stark macht. Wie zuvor bei seiner alten Band galt bald: keine Werbung, nur kein Aufsehen. Dennoch verkauft Der W Hallentickets so schnell wie die Onkelz früher Stadien füllten.
Die bespielen jetzt mit Frei.Wild vier junge Männer aus Südtirol, denen die Onkelz-Sozialisation anzuhören ist. Die Gitarren laut, der Gesang kraftvoll, die Texte wirken wie eine Dauerklage gegen Lüge, Falschheit und Bevormundung. Auch das Echo erinnert an den Nimbus des absenten Originals. Er verbreitete „Nazi-Ideologien“, warfen Antifa-Gruppen Sänger Philipp Burger vor. Die Rock-Kollegen von Kraftklub und Jennifer Rostock erzwangen sogar einen Ausschluss Frei.Wilds vom „Echo“-Preis, den die Südtiroler nach ihren Verkaufszahlen hätten bekommen müssen.
Rückkehr im Februar
Dann auf einmal, im Februar, ist das Original wieder da. „Zeit, die Tränen zu trocknen“, schrieb Stephan Weidner auf der Internetseite der Onkelz, „wir gehen zurück auf Los, Abschied wird Aufbruch“. Kevin Russell habe seine Strafe verbüßt und seine Sucht überwunden. Alle hätten wieder Lust darauf, weiterzumachen als „Stachel im Arsch der Nation“ - offenbar auch die Fans, die den Online-Kartenverkauf geradezu stürmten. Könnte sein, nächstes Jahr kommt ein neues Album. Könnte sein, es folgt eine große Deutschland-Tour. Sicher ist: Ende Juli und Anfang August spielt Stephan Weidner solo als Der?W in Magdeburg und Leipzig.
31. Juli Magdeburg, Altes Theater, am 1. August Leipzig, Parkbühne