Biographie über Johnny Cash Biographie über Johnny Cash: Skandale, Drogensucht und Liebesleiden der Country-Legende Johnny Cash

Halle (Saale) - Es gibt Fotos von ihm, die sein Leben wie von Blitzlichtern erhellt nachzeichnen. Erst ist da ein Junge in Windjacke und mit Stirntolle in einem kleinen Studio, umgeben von Elvis Presley und Jerry Lee Lewis, mit denen er gerade ein Lied einübt.
Johnny Cash: Ein Platz unter den bedeutensten Künstlern Amerikas
Dann ein großer, starker Mann, der nach einem Konzert im Folsom-Gefängnis, das ihn berühmt machen wird, wütend einen Mittelfinger in eine aufdringliche Kamera streckt. Es folgt ein gereifter, attraktiver Charakterkopf, der auf einer Couch in einem Fernsehstudio sitzt, Charme versprüht und mit Linda Ronstedt „I Never Will Marry“ singt.
Und schließlich dann dieser Riese in Schwarz mit seinem Gitarrenkoffer, das Haar nun leicht angegraut, der Rücken aber ungebeugt. Johnny Cash, aufgewacht nach einer langen Nacht unter Tabletten und Unterforderung. Bereit, seinen Platz unter den bedeutendsten Künstlern Amerikas wieder einzunehmen.
Country-Gigant Cash: „American Recordings“ bringt ihn zurück
Cash ist schon 62 Jahre alt, als ihm der Produzent Rick Rubin anbietet, ihn aus dem künstlerischen Kellerloch zu holen, in dem der Mann aus Arkansas sich seit dem Ende der 70er Jahre eingerichtet hat. Ratlos hat Cash die 80er in einer Routine aus ewigen Touren verbracht, immer wieder dieselben Lieder aufgenommen - und seinen Ruf nahezu komplett verspielt.
Das „American Recordings“ genannte Album aber, das Rubin aus den gemeinsamen Aufnahmen destilliert, bringt Cash zurück ins Licht. Der Country-Gigant, der sich schon aufgegeben hatte, ist wieder da. Und er biegt, wie sein Biograf Robert Hilburn in „Johnny Cash - Die Biografie“ beschreibt, erleichtert und beglückt in die letzte Kurve einer Karriere, die aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar scheint.
Johnny Cash: Auf Augenhöhe mit Elvis und erfolgreicher als die Beatles
Und doch ist es wahr: Der Sohn eines bettelarmen US-Farmers beginnt beim Armeedienst im bayrischen Landsberg, Gitarre zu spielen und zu singen. Er beschließt, Musiker zu werden, kehrt zurück nach Hause, jobbt als Haushaltsgeräteverkäufer, schmiedet aber hartnäckig weiter an seiner Vision, eines Tages berühmt zu sein.
Als es soweit ist, nimmt Johnny Cash seine Rolle an: Als das Wort Star für Sänger noch nicht existiert, ist er einer, auf Augenhöhe mit Elvis, erfolgreicher als die Beatles, ein Vorbild für Stones-Gitarrist Keith Richards und ein Rebell im konservativen Country-Geschäft, obwohl er selbst zeitlebens ein konservativ denkender Mann bleiben wird.
Langjähriger Weggefährte Robert Hilburn zeichnet Cashs Leben nach
Robert Hilburn, der Cash kennenlernt, als der sein epochales Konzert im Folsom Prison spielt, das ihn aus seinem ersten kleinen Karriereknick holen und zu einer amerikanischen Institution machen wird, beschreibt die an Brüchen, privaten Katastrophen, Liebesleid, Schmerz und Drogen reiche Geschichte aus der Nahdistanz.
Der langjährige Pop-Experte der Los Angeles Times hat Cash nach dem ersten Treffen in der Caféteria des Folsom-Gefängnisses nicht mehr aus den Augen gelassen. Immer wieder führte er Interviews mit ihm.
Später, als er beschlossen hatte, den Lebenspfad des ebenso sturen wie unsicheren Interpreten von Songs wie „I walk the line“ und „Ring of fire“ nachzuzeichnen, befragte er Hunderte von Familienmitgliedern, Freunden und Geschäftspartnern des „Man in Black“. Und legt mit deren Hilfe eine Persönlichkeit frei, die ganz anders ist als das ikonische Bild, das Cash von sich selbst zeigen wollte.
Schuldgefühle und Versuchungen: Cash als geplagter Künstler
Hier ging kein ungebrochener Mann leichten Schrittes durch ein Leben, das ihn mit Erfolgen belohnte, wo immer er sie verdient zu haben glaubte. Sondern ein von Schuldgefühlen und Versuchungen geplagter Künstler, der sich zeitlebens nicht sicher war, ob seine Talente wirklich ausreichten, die Rolle auszufüllen, die ihm das Schicksal auf sein hartnäckiges Drängen hin zugeschoben hatte.
Cash war einfach zur richtigen Zeit mit der richtigen Attitüde am richtigen Ort gewesen. Sam Phillips von Sun Records in Memphis, Tennessee, produziert damals, Mitte der 50er Jahre, den heißesten Sound der USA. Cash kommt mit seinem einzigartigen Bariton und dem zackigen „Boom-Chicka-Boom“-Sound seiner Begleitband Tennessee Three gerade recht, zu einem der Anführer der ersten Pop-Revolution zu werden.
Im Hamsterrad der öffentlichen Erwartungen: Cash wird zum Nationalheiligen
Fast bruchlos wächst Johnny Cash aus dieser Position zum Nationalheiligen. Als Chef seiner eigenen Fernsehshow kommt er zwar kaum noch dazu, Lieder zu schreiben. Und wenn, dann ist das Ergebnis bescheiden. Doch im Hamsterrad der öffentlichen Erwartungen, anfangs zusätzlich zerrissen zwischen seiner ersten Frau und seiner später entdeckten großen Liebe June Carter, schultert der schon in jungen Jahren ernsthafter als viele seiner Kollegen wirkende Teilzeit-Schauspieler die volle Last.
Cash ernährt drei Dutzend Beschäftigte, er ist schwer tablettenabhängig und immer unterwegs. Er sucht ebenso verzweifelt wie vergeblich Anschluss an die Moden der Popkultur, indem er Platten produziert wie ein Automat. Alle gleich. Die meisten sogar gleich schlecht. Es sind die späteren Jahre, die aus dem keiner Affäre abgeneigten Egomanen den großen schwarzen Schmerzensmann machen, den die Welt wieder ins Herz schließen wird, weil er zu den Seelen seiner Hörer singt.
Cash, nach Hilburns Erkenntnissen Tag für Tag von grausamen Schmerzen geplagt und nur mit Hilfe von 40 Medikamenten in der Lage, weiterzusingen, tut das fast bis zu seinem letzten Tag. Im Video zu „Hurt“, einem zu Herzen gehenden Stück des Metal-Musikers Trent Reznor, ist vom alten Cash, dem König des Country, nur ein kleiner, schwacher Mann übrig. Er liebe den Schmerz, singt der, weil er das Letzte sei, das ihn sein Leben spüren lasse.
(mz)
