Biografie über Georg Forster Biografie über Georg Forster: Mit unverstelltem Blick

Halle (Saale) - Gemessen an seiner Bedeutung für die Natur- und Kulturgeschichte des späten 18. Jahrhunderts müsste er so berühmt sein wie die Weimarer Klassiker. Doch Georg Forster ist noch immer ein Fall für Kenner. Sehr zu Unrecht. Denn das Leben des Gelehrten ist ebenso spannend wie sein Werk. Einen Namen machte sich der 1754 in der Nähe von Danzig geborene Forster durch seine Reise um die Welt mit Kapitän James Cook beziehungsweise seinem daraus hervorgegangenen Bericht. Es ist auch jener Georg Forster, der als Revolutionär die Mainzer Republik, also die erste Republik auf deutschem Boden, vertrat. Zwei Punkte, die zeigen, wie facettenreich dieser Mensch war, der 1794 mit 39 Jahren elendig in Paris starb und, ähnlich wie Mozart in Wien, unbekannt verscharrt wurde.
Nun hat Jürgen Goldstein, Professor für Philosophie an der Universität Koblenz-Landau, unter dem Titel „Georg Forster – Zwischen Freiheit und Naturgewalt“ ein biografisches Werk vorgelegt. Für dieses wird der Autor am 9. Oktober in Halberstadt mit dem Gleim-Preis geehrt. Der wird seit 1995 alle zwei Jahre durch den Förderkreis Gleim-Haus in Verbindung mit der Stadt Halberstadt vergeben, würdigt „deutschsprachige Forschungsarbeiten, die einen bedeutenden Beitrag zur Erschließung der Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts leisten“ und ist mit 5 000 Euro dotiert. Wie die Lektüre von Goldsteins Studie zeigt, hat man in Halberstadt eine gute Wahl getroffen.
Autodidaktisch gelernt
Auf 300 kurzweiligen Seiten zeigt der Autor sehr anschaulich, warum Georg Forster, ein Mensch des 18. Jahrhunderts, nicht nur als historisches Phänomen faszinierend, sondern in seinem Denken noch immer erstaunlich aktuell ist – beginnend mit der Analyse des Erfolgsbuches „Reise um die Welt“, das Georg Forster mit 20 Jahren und stellvertretend für seinen Vater Reinhold Forster erst auf Englisch verfasste und dann ins Deutsche übersetzte. Der junge Mann schrieb, obwohl er über keine höhere Schulbildung verfügte, in seinem Reisebericht eine wunderbar plastische Prosa, die den Leser noch immer mitreißt. Auch mehrere Sprachen, neben dem Englischen und Französischen auch das Russische, brachte sich Georg Forster autodidaktisch bei.
Hoch talentiert und schon als junger Mensch überaus belesen, aber zeitlebens von großer Schüchternheit, begleitete Georg Forster seinen Vater Reinhold als Gehilfe auf James Cooks zweiter Weltumsegelung (1772-1774), in deren Verlauf er die exotischen Inseln des Pazifiks ebenso kennenlernte wie den Winter in der Antarktis. Jung und unverbildet, bewahrte sich der Jugendliche auf der Fahrt einen „unverstellten Blick“ – vor allem auf die Menschen, denen er auf der Weltreise begegnete: „Für Forster verbietet sich jede imperialistische Geste“, so Jürgen Goldstein: denn für ihn sind alle Menschen gleich. Nicht nur an Bord von Cooks Schiff „Resolution“ dürfte Forster mit dieser Haltung wohl allein gewesen sein.
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Der Autor erinnert an ein Wort Jan Philipp Reemtsmas, demnach die Reise um die Welt Georg Forsters Leben war, alles Folgende nur noch Beiwerk gewesen sei. Für dessen Publikationen mag das nicht gelten, wohl aber für die Laufbahn des Gelehrten. Weltreisende wurden seinerzeit bestaunt und gefeiert, aber Geld war mit dem Erlebten auch dann nicht zu verdienen, wenn man darüber Bücher schrieb. Forster erhielt zwar eine Professur in Kassel und dann im damals polnischen Wilna (Vilnius), aber er wurde weder hier noch dort froh. 1788 geht er als Bibliothekar nach Mainz. Im Zuge der Revolutionskriege besetzten französische Truppen 1792 die Stadt. Nach anfänglicher Skepsis verschrieb sich Forster den Zielen der Französischen Revolution in Mainz, das durch den Deutsch-Rheinischen Nationalkonvent zur Republik erklärt wurde. Als dessen Vizepräsident reiste der Revolutionär nach Paris, um die Nationalversammlung um den Anschluss von Mainz an Frankreich zu bitten. Währenddessen kapitulierte die Stadt am Rhein vor den preußischen Truppen, die sie belagerten. Forster, der als Revolutionär fortan ein Geächteter war, konnte nicht mehr nach Deutschland zurück. Seine Frau Therese, auch deren Liebhaber, und die beiden Töchter sah er noch einmal im Herbst 1793 in der Schweiz wieder. Unter dem Titel „Treffen in Travers“ hat Michael Gwisdek diese Episode im Jahr 1988 für die Defa verfilmt.
Kluger Kopf und freier Geist
Jürgen Goldstein trennt bei dem Porträtierten nicht zwischen Naturforscher hier und Revolutionär dort, sondern er legt in seiner Lebensbeschreibung dar, dass beides untrennbar zusammengehört: „die Naturwahrnehmung und die Politik, die Anschauung der Welt und die Revolution der Freiheit“.
Mit jeder gelesenen Seite wächst der Respekt vor Georg Forster und auch die Trauer, dass er nie die Anerkennung erfahren hat, die diesem klugen Kopf und freien Geist hätte gebühren müssen.
Jürgen Goldstein: Georg Forster – Zwischen Freiheit und Naturgewalt, Matthes & Seitz, 301 Seiten, 24,90 Euro