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"Bilderhaus Krämerbrücke" in Erfurt "Bilderhaus Krämerbrücke" in Erfurt: Lebendig reiche Wirkung

Von kai agthe 20.08.2013, 05:10
Karl Völker: Blumenstillleben, 1935
Karl Völker: Blumenstillleben, 1935 Bilderhaus Krämerbrücke Lizenz

erfurt/MZ - Wie Ponte Vecchio in Florenz ist auch die Krämerbrücke in Erfurt nicht nur eine bebaute Brücke, sondern ein kleines Einkaufsparadies. Hier wie dort reihen sich zahlreiche Läden aneinander. Praktisch ist auf der Krämerbrücke das „Geschäft für Linkshänder“ und appetitanregend das Café „Mundlandung“. Zwischen dem „Haus zum Wilden Mann“, das heute als Haus der Stiftungen dient, und dem „Tintenherz“, einem Geschäft für Kinderbücher und Spiele, ist das „Bilderhaus Krämerbrücke“ zu finden, das Susanne und Klaus Hebecker führen.

Im Moment ist in der Galerie eine Verkaufsausstellung mit Werken des halleschen Malers Karl Völker zu sehen: 1889 in Halle-Giebichenstein geboren und 1962 in Weimar gestorben, war er eine faszinierend vielfältige Künstlerpersönlichkeit, die zahllose Techniken beherrschte: von der Grafik bis zur Fenstergestaltung. Zu Völkers Biografie gehört die Erfahrung von vier Gesellschaftssystemen und zwei Weltkriegen. Die letzten Zuckungen des Zweiten Weltkrieges erlebte er, obwohl schon ein Mittfünfziger, ab 1944 als Volkssturmmann. 1945 kam Völker in das berüchtigte amerikanische Kriegsgefangenenlager bei Bad Kreuznach.

Oft variiert: Kriegsgefangenschaft

Hier setzt die Erfurter Schau auch an: Im Erdgeschoss sind Radierungen aus den späten vierziger Jahren zu sehen, die Völker nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft anzufertigen begann (Verkaufspreis ab 400 Euro). Das Thema „Gefangener“ wird vielfach variiert. Ein beeindruckendes Blatt dieser losen Folge heißt „Justiz“, entstand zwischen 1946 und 1948, zeigt links einen Gehenkten, hinter dem eine Menschengruppe die Hände vors Gesicht schlägt, und rechts einen Ankläger, der, den rechten Arm erhoben und die Hand zu einer überdimensionalen Faust geballt, eine flammende Rede hält, der allein ein Skelett hinterrücks andächtig lauscht.

Eingedenk der Materialknappheit der Nachkriegsjahre konnte Völker keine Metallplatten für seine Radierungen verwenden, sondern musste etwa auf Igelit zurückgreifen, was, wie Susanne Hebecker sagt, nur eine geringe Zahl von Abzügen zuließ. Erstaunlich ist, dass er nicht nur seine Grafiken nach 1945 düster in Szene setzte, sondern bereits die Radierungen in den dreißiger Jahren atmosphärisch dunkel gehalten sind, auf denen Völker sich ganz unverfänglichen Motiven wie „Jahrmarkt“ (1931) und „Automatenrestaurant“ (1934) widmete.

Flankiert werden die „Gefangenen“-Radierungen von Stillleben, die Völker in der Zeit des Dritten Reiches ausführte. Wo andere Künstler Hitler als Ritter oder deutsche Gaue feierten, hielt sich Völker an „Blumenstillleben“ (1935, 15 500 Euro) und „Kürbis und Gurke“ (1942, 14 500 Euro). Das war wohl nicht zuletzt ein Reflex auf den Umstand, dass Völker - der der Neuen Sachlichkeit verpflichtet war - 1937 in der NS-Propagandaschau „Entartete Kunst“ verfemt wurde. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mehren sich neben seinen Grafiken zur Kriegsgefangenschaft auch Blätter, die, wie in Erfurt zu sehen, immer wieder biblische und mythologische Motive aufgreifen. Diese Arbeiten sind vor allem als „Kreidegrundzeichnungen“ ausgeführt, die, so Susanne Hebecker, dem Hintergrund eine stoffliche Dichte und der figürlichen Gestaltung eine lebendig reiche Wirkung verleihen.

Vorgeschmack auf Halle-Schau

Der Ostsee war der Künstler in späten Jahren innig zugetan. Luftig-leichte Aquarelle mit Strandmotiven aus den fünfziger Jahren, die Völker etwa in Bansin auf Usedom und Baabe auf Rügen malte, stehen in Erfurt zum Verkauf. Apropos: Karl Völker hat fünfzig Jahre nach seinem Tod einen guten Ruf bei Sammlern. Das zeigt sich vor allem darin, dass zahlreiche Radierungen und einige Ölbilder bereits in den ersten Tagen nach Ausstellungsbeginn verkauft werden konnten.

Die Schau im „Bilderhaus Krämerbrücke“ ist ein schöner Vorgeschmack auf die Ausstellung mit Völkers Deckenbildern aus der Kirche von Schmirma, die im Herbst in Halle zu sehen sein wird. Übrigens hat er auch in Erfurt Kirchenkunst geschaffen: Die Fenster der Thomaskirche gehen auf Karl Völkers Entwürfe zurück.

Karl Völker: Malerei und Grafik, Bilderhaus Krämerbrücke, bis 2. November, Mi-Fr 11 bis 18 Uhr, Sa 11 bis 16 Uhr. Ab 17. Oktober im Kunstmuseum Moritzburg Halle: „Karl Völker: Heilige  Geschichten - Die Deckenbilder aus Schmirma“.

Karl Völker
Karl Völker
Günter bauer (repro) Lizenz