Theater Halle Bertolt Brecht, Neues Theater Halle, Inszenierung, Kleinbürgerhochzeit
Halle (Saale) - Hier staubt die viel zitierte Brecht-Gardine nicht. Kein Wunder, denn die ist nicht aus Stoff. Eine Abdeckfolie tut es auch. Aber sie fällt üppig aus. Und schnell zu Boden. Der Text dahinter ist tatsächlich von Brecht.
Mal abgesehen davon, dass in Halle nicht danach gefragt wird, ob man denn auch Brechts „Baal“ gesehen habe. Hier ist es natürlich die Frage nach Elfriede Jelineks „Wut“. Diese Pointe kann man sich einfach nicht entgehen lassen, wenn man im Opernhaus so einen vergoldeten Pfeil von Stück im Köcher hat.
Großer Krach bei kleinen Leuten in "Die Kleinbürgerhochzeit"
In „Die Kleinbürgerhochzeit" ist ansonsten der Brecht drin, der drauf steht: Eine Hochzeit mit dem mittleren Potenzial für den großen Krach bei kleinen Leuten. Mit dem Erkenntnisgewinn, den Stücke aus der Kategorie "Im Wein liegt Wahrheit" eben so haben.
Nicht weniger, aber auch nicht weltliterarisch oder zeitkritisch entscheidend mehr. Regisseur Philippe Besson, vor allem aber Ausstatterin Henrike Engel hieven das Jugendstück des 21jährigen, späteren Oberdialektikers auch nicht in die Richtung einer aktuellen Familienaufstellung. Mit Seitenblick auf die Verwerfungen der Moral von heute.
Das etwas andere Bühnenbild: Baumarkt-Bretter als Requisite
In der Kammer des Neuen Theaters Halle machen sie aus der Kleinbürgerhochzeit im Grunde eine Kleinmöbelbruchzeit. Die Wände sind gehobelte Baumarkt-Bretter. Alles selbstgezimmert. Bis zum letzten Stuhl. Mit schlechtem Leim und viel gutem Willen.
So lange jedenfalls, dass man die Schwangerschaft der Braut nur noch mit Mühe verheimlichen könnte. Wenn nicht eine käme, die mit dem Finger auf den Bauch zeigt. Und so eskaliert ein furioses Slapstick-Crescendo mit viel Klimbim, bei dem alles zu Bruch geht. Immerhin ist das Brautpaar noch zusammen und kann, wenn abgeblendet wird, dafür sorgen, dass auch noch das Bett zu Bruch geht.
Regisseur Philippe Besson inszeniert Bertold Brecht mit Masken auf Halles Neuer Theaterbühne neu
Vielleicht war das Ganze dem Regisseur für einen Brecht zu leichtgewichtig und boulevardesk? Jedenfalls verfremdet er die ganze Festgesellschaft mit Gesichtsmasken. So nach dem Motto: Jeder hat eine Maske, wenn er dem anderen entgegentritt. So weit so gut. Aber dafür auf das Spiel der Mienen verzichten, mit dem Bettina Schneider (Mutter), und Till Schmidt (Brautvater), Sonja Isemer (Braut), Annemarie Brüntjen (ihre Schwester) oder Max Radestock (Bräutigam), Hagen Ritschel (sein Freund), Danne Suckel (Frau) und Matthias Walter (ihr Mann) oder Robin Krakowski (junger Mann) diese Hochzeit zum Mimenfest machen würden?
So ist man eine ganze Weile mit dem Enträtseln des „Who is who?“ beschäftigt. Doch wenn sie dann am Ende ohne Masken kommen und Gesicht zeigen, dann mischt sich unter den Respekt des Beifalls auch eine Spur des Bedauerns. Über eine unterhaltsame, aber nicht ganz vollständige Kleinbürgerhochzeit.
Nächste Vorstellung am 24. und 26. November sowie am 3., 21. und 25. Dezember, jeweils um 20 Uhr (mz)