Berlinischen Galerie Berlinischen Galerie: Künstlerin Jeanne Mammen - ein deutsches Leben im Widerstand

Berlin - Ach, wieder so eine eine Ausstellung halt. Bilder für Müßiggänger und Freunde der Kunst. So schnell können wegwerfende Urteile ausgefertigt sein. Man hört dergleichen schon öfter.
Dabei ist es doch eine der frühesten Übungen des Menschen auf dem Weg zum Menschsein, bildliche Zeugnisse zu hinterlassen - und zu begutachten. Letzteres ist stets mit Staunen verbunden und oft mit großem Genuss. Der wiegt die Ablehnung eines Werkes, auch das Unverständnis auf, was freilich vorkommt - und vorkommen darf.
Immer aber wird eine gescheit gebaute Ausstellung zugleich zu einer Entdeckungsreise bitten, die den Betrachter klüger und reicher entlässt, als er vorher gewesen ist. Aus der Berlinischen Galerie ist eben ein solcher, zudem gut besuchter Glücksfall, wie er nicht alle Tage eintritt, zu vermelden. Dort werden noch bis zum 15. Januar Leben und Werk von Jeanne Mammen vorgestellt - einer Berlinerin, die so gar nicht dem Klischee vom ungezügelten Geltungsdrang entspricht.
Dabei ist Jeanne Mammen eine ebenso bedeutende Künstlerin wie mutige Frau gewesen, die sich von den Nazis zwar buchstäblich die Butter vom Brot nehmen - aber nicht gleichschalten ließ. Nach der Befreiung hätten bessere Tage für sie anbrechen sollen, aber die Anerkennung der deutschen Nachkriegsöffentlichkeit kam für die Künstlerin erst spät und erlosch dann abermals.
Jeanne Mammen: Schicksale der Emigration
Dieses Schicksal teilt sie mit nicht wenigen anderen deutschen Künstlern, die ins Exil oder in die innere Emigration gegangen waren - mit dem Schriftsteller Walter Mehring etwa, einer der Satire-Stars der Weimarer Republik. Und später vergessen.
Jeanne Mammen hat dem Unglück mehrfach trotzen müssen. 1914, nach Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde die gebürtige Berlinerin vom Jahrgang 1890 mit ihren Eltern aus Frankreich, wohin die wohlhabende Familie übersiedelt war, ausgewiesen - als „feindliche Ausländer“.
Zurück in der deutschen Hauptstadt, schlägt sich die begabte junge Frau mit grafischer Brotarbeit durch und fällt durch fein beobachtete Sujets und sozialkritisch grundierte Aquarelle auf. Künstlerisch in der Nähe von George Grosz angesiedelt, wenn auch mit weicherem, eben deutlich weiblichem Strich, schafft Mammen den Sprung nach ganz oben - vor allem durch ihre Mitarbeit an satirischen Magazinen.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten büßt sie ihre Existenzgrundlage ein, geht aber nicht außer Landes. Einen abermaligen Heimatverlust fürchtet sie wohl mehr als die düsteren Zeiten in künstlerischer Isolation und wirtschaftlicher Not.
Mammen malt den Widerstand
Aber in ihrer Zurückgezogenheit malt sie Widerstand pur: Kraftvolle, expressive Bilder entstehen nun, klare Bekenntnisse zur verfemten Ästhetik Picassos. Auch Soldatenbilder sind darunter und das ernüchternde, präzise Porträt eines normalen Nazi-„Parteigenossen“.
1974, zwei Jahre vor ihrem Tod, notiert Jeanne Mammen in größter Lakonie über ihr Leben und Arbeiten während der Kriegsjahre in Berlin: „Keine Ölfarbe, keine Leinwand ... Lebensmittelkarten, Stempeln, Zwangsarbeit, Bombenangriffe. Zwangsausbildung zum ,Feuerwehrmann‘ ... Keine Fenster, keine Heizung, weder Gas noch elektrisches Licht...“
Spät kehrt noch einmal der Ruhm zurück, die finanzielle Lage der Künstlerin bessert sich. Zu Beginn der 1970er Jahre hat sie Ausstellungen in Berlin, Hamburg und Stuttgart: „Auf einmal kümmert sich alle Welt um mich, als wenn ich ein Genie wäre“, meldet die Malerin 1975 sarkastisch. Da ist sie schon schwer krank. Im gleichen Jahr vollendet sie das letzte Bild in abermals gewandeltem Stil. „Verheißung eines Winters“ wird es posthum genannt, symbolisch und geheimnisvoll wie das ganze Spätwerk. Auch dies ist in Berlin präsent.
››Jeanne Mammen: Die Beobachterin. Retrospektive. Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin, bis zum 15. Januar, Mi-Mo 10-18 Uhr; Eintritt 10, erm. 7 Euro, bis 18 Jahre frei
(mz)


