Das Konzert der Superlative Berlin-Weißensee: Konzert der Superlative vor 30 Jahren: "Boss" Bruce Springsteen begeistert Fans in der DDR

Berlin - Für die Stasi war es ein Großeinsatz, für die Fans einfach ein großes Erlebnis: Am 19. Juli 1988 begeisterten der amerikanische Rockstar Bruce Springsteen und seine E-Street-Band in Ost-Berlin die Massen. Offiziell waren es 160.000 Besucher, geschätzt noch weit mehr, die aus der ganzen DDR anreisten. Bei vielen Ostdeutschen ist die Erinnerung an das einmalige Megakonzert bis heute nicht verblasst.
In gebrochenem Deutsch ruft der Sänger den jubelnden Fans zu: „Ich möchte euch sagen, ich bin nicht für oder gegen eine Religion. Ich bin gekommen, um Rock'n Roll für euch Ost-Berliner zu spielen in der Hoffnung, daß eines Tages alle Barrieren niedergerissen sein werden.“ Aus heutiger Sicht klingt es fast prophetisch: rund ein Jahr später fällt die Mauer.
Akribisch bereitet vor 30 Jahren das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Großereignis mit Springsteen vor, wie aus Dokumenten der Stasi-Unterlagen-Behörde hervorgeht. Ein Operativstab wird gebildet, es gibt Besprechungen, Einsatzpläne werden erstellt. Dort steht: 400 MfS-Mitarbeiter, 1335 Polizisten, 1200 Mitglieder von FDJ-Ordnungsgruppen, 1000 FDJler der MfS-Kreisorganisation sind eingeplant. Gefragt „ist ein freundliches, aber souveränes Auftreten jeder Einsatzkraft, unser Handeln heißt jedoch nicht unzweckmäßige Toleranz...“.
Überlegt werden „differenzierte Maßnahmen zur Verhinderung der Anreise“ von bekannten „negativ-dekadenten Personengruppierungen“, von denen Störungen zu erwarten seien - insbesondere aus Kreisen der Skinheads, heißt es in Protokollen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Solche Personen sollten aus Zügen vor der Ankunft in Berlin „herausgelöst“ werden.
Auch eine „Kurzcharakteristik“ von Bruce Springsteen haben die Stasi-Leute notiert. Er gelte als die unangefochtene Spitze zeitgenössischer Rockmusik in der Welt, auch „solides musikalisches Handwerk“ wird dem Sänger bescheinigt, der sich zu einer lebenden Rocklegende entwickle.
Und 30 Jahre später gilt der „Boss“ mit mehr als 140 Millionen verkauften Alben und vielen Preisen als einer der erfolgreichsten US-Musiker der Gegenwart. Der 68-jährige Springsteen hatte erst im Juni bei den Tony Awards, dem wichtigsten amerikanischen Theaterpreis, einen Ehrenpreis für seine Ein-Mann-Show „Springsteen on Broadway“ bekommen.
Im Sommer 1988 firmiert das Springsteen-Kozert offiziell als Eröffnung des 5. Berliner Rocksommers der Jugendorganisation FDJ (Freie Deutsche Jugend) und als Solidaritätskonzert des nordamerikanischen Sängers mit Nikaragua. Wie die „Leipziger Volkszeitung“ jetzt schrieb, hatten sich Springsteen und sein Management aber jegliche weitere politische Instrumentalisierung verbeten.
Offizieller Preis für eine Karte zu dem mehrstündigen Konzert: 20 Ost-Mark. Ein Aufdruck mahnt: „Im angetrunkenen Zustand kein Einlaß“. Bei Zuwiderhandlungen Verweis von der Spielstätte. In der Zeitung „Junge Welt“ wird der Vorverkauf für den 16. Juli von 10.00 bis 18.00 Uhr angekündigt. Laut Stasi-Protokollen erhalten auch alle Bezirksleitungen der FDJ auf Wunsch 1000 Eintrittskarten - gezielt zu verkaufen an politisch positiv eingestellte Personen.
Am Tag danach notiert die Stasi erleichtert: „Die Besucher des Konzertes verhielten sich diszipliniert.“ 160 000 Besucher waren anwesend. 1763 Mal wurde medizinische Hilfe geleistet, 19 Personen wurden stationär behandelt. (dpa)