Berlin Berlin: Trauerfeier für Erich Böhme

Berlin/dpa. - Der frühere Außenminister Joschka Fischer(Grüne) würdigte Böhme am Montag als «lebendiges Geschichtsbuch deralten Bundesrepublik». Journalismus sei für ihn Verteidigung derDemokratie gewesen. Böhme starb am 28. November im Alter von 79Jahren an Krebs.
In der Gedächtniskirche steht Böhmes Foto neben dem schlichtenSarg, umrahmt von Trauerkränzen mit weißen Rosen. Das Bild zeigt ihnmit seiner dunklen Lesebrille, jenem Markenzeichen, das er beimNachsinnen so gern kreisen ließ. Es ist eine Geste, dieFernsehzuschauern aus seiner Talkshow «Talk im Turm» in Erinnerungist. Als Böhme die Sendung von 1990 bis 1998 moderierte, hatte derstudierte Volkswirt eine Karriere beim Nachrichtenmagazin «Spiegel»schon hinter sich. Dort begann er als Chefredakteur Ende Oktober 1989seinen Kommentar mit dem Satz: «Ich möchte nicht wiedervereinigtwerden.» Danach legte Spiegel-Gründer Rudolf Augstein ihm denRücktritt nahe.
Es ist ein Satz, auf den alle Trauerredner noch einmal zu sprechenkommen. Joschka Fischer erklärt ihn als «Furcht vor der Rückkehrnationalistischer Gespenster» bei einen Mann, dessen Kindheit undJugend in Frankfurt/Main von der Pogromnacht 1938 undKriegserlebnissen geprägt wurden. Ein «Nie wieder» habe seitdemBöhmes Denken bestimmt. Fischer lernte ihn als leidenschaftlichenDemokraten kennen, dem die Unterdrückung einer Meinung zutiefstzuwider war. Er behält ihn aber auch als einen liebenswerten Menschenund wunderbaren Freund in Erinnerung, der im freundlich-weichenHessisch zu einem guten Rotwein lud.
Seine Meinung zur Wiedervereinigung revidierte Böhme schnell.Anfang der 90er Jahre wurde er Herausgeber der «Berliner Zeitung» imOstteil der Stadt. In vierter Ehe heiratete er die frühereNachrichtensprecherin im DDR-Fernsehen, Angelika Unterlauf, und lebtespäter im ostbrandenburgischen Bad Saarow. Dort saß er zuletzt mitseinem Füllfederhalter am Schreibtisch, um die Einladungen zu seinem80. Geburtstag zu schreiben. Doch der schwere Krebs, dem er nocheinige Lebensjahre abgetrotzt hatte, siegte schneller.
Warmherzig, lebensfroh und optimistisch sei Böhme gewesen, sagendie Trauerredner - und dazu ein großer Journalist, ein Vorbild.«Spiegel»-Chefredakteur Georg Mascolo zählt Böhmes Eigenschaften auf:nicht besserwisserisch, sondern kundig; nicht ideologisch, sondernstandhaft; nicht autoritär, sondern Autorität ausstrahlend, dazuneugierig, ideenreich und hartnäckig. «So einer ist selten zu findenin den oberen Etagen», ergänzte Mascolo. Ein charmanter Kritiker seiBöhme gewesen. Ein Mann, der nicht kränkte, sondern ermunterte undnur eines zutiefst verabscheute: Dummheit. Joschka Fischer sagte zumAbschied leise: «Lebe wohl, Erich.»