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Berlin Berlin: Rainald Grebe Superstar

Von ANDREAS MONTAG 19.06.2011, 08:01
Der Liedermacher und Kabarettist Rainald Grebe reitet am Samstag (18.06.2011) in Berlin in der Waldbühne auf einem weißen Wallach zu seinem Auftritt. (FOTO: DPA)
Der Liedermacher und Kabarettist Rainald Grebe reitet am Samstag (18.06.2011) in Berlin in der Waldbühne auf einem weißen Wallach zu seinem Auftritt. (FOTO: DPA) dpa

BERLIN/MZ. - So. Dahinter kann RainaldGrebe nun also auch einen Haken machen: Erhat die Berliner Waldbühne, den deutschenOlymp der Popgötter, bespielt. Das hatte ersich gewünscht, weil es für einen, der sichvom Geheimtipp zum Star emporgearbeitet hat,noch mal ein Ziel ist. Nun hat Deutschlandsintelligentester Sentimentaler sich und derWelt bewiesen, dass es nicht allein das Privilegbrachialer Possenreißer vom Schlage MarioBarths ist, ein Stadionpublikum zu beglücken.

Das war beileibe keine Selbstverständlichkeit.Zwar hat sich Grebe über die Jahre eine große,treue Fangemeinde erspielt. Aber ob man die,verstreut über die ganze Republik, wirklichfür einen solchen Auftritt mobilisieren könnte?Und würde die Show des Clowns, Musikers undKabarettisten auch bis zu den letzten Reihendes Amphitheaters tragen?

Besser als Elton John

Sie tat es, auch wenn Grebe eingangs etwasnervös wirkte. Im Vorprogramm waren Boxergegeneinander angetreten, Blasmusik spielteund ein Frauenchor sang das Rennsteiglied,der Boden war also bestens bereitet. Grebestartet zu Pferde, auf einem "weißen Wallachaus Eisenhüttenstadt", und grüßt ironischins weite Halbrund: "Ja, ich will auch einKind von mir". Zeitgleich, verkündet der Künstlervoller Stolz und Häme, mühe sich "ein dicker,alter Engländer" in der O2-World ab, aberden, Elton John, wollten seinen Informationenzufolge nur 8000 Menschen sehen. Ihn, Grebe,hingegen 25000.

Das genießt er - und im Laufe des Abends gewinnter die gewohnte Sicherheit. Grebe ist lustig,witzig, auch böse - wie man ihn kennt. Von"Dörte" und anderen Spießern wird gesungen,"Der Präsident" reiht sich da ein, das grußwortsprechendeStaatsoberhaupt. Von Hartz-IV-Empfängern istda die Rede, die "fühlen sich so überflüssig.Das geht mir ähnlich". Und "der Aufschwungist für alle da, tralalalala".

Was Rainald Grebe und seine Band abliefern,die verstärkt und zum Waldbühnenorchesteraufgerüstet worden ist, gehört sicherlichzum Besten, was es an Zeitgeist-Kritik derzeitgibt. Dabei steht der Sänger selber immermit einem Bein im Schlamassel, die Katastrophender 30-Jährigen werden ihm erinnerlich sein,und den Prenzlauer Berg, den Kultbezirk fürBerlins korrekte, weiße Eliten, kennt er natürlichauch. "Ho, Ho, Holzspielzeug", so einfachlässt sich eine Haltung als Ideologie enttarnen,zugleich werden Schlachtrufe der 68er durchden Kakao gezogen, die es mit Ho Chi Minhhielten, einer ihrer Lichtfiguren des antiimperialistischenKampfes.

Fans steigen auf die Bänke

Da kommt die Bolschewistische Kurkapelle,ein ironisches Bläserkollektiv aus Ostberlin,gerade richtig. Die intonieren und grummelneinen Rolling-Stones-Hintergrund, womit dannauch an die große Geschichte der Waldbühneerinnert wäre: 1965 spielten die Stones hier,das Publikum machte im Anschluss Kleinholzaus allem. Das ist Grebe ein Kapitel seinerShow wert, gutmütig folgen ihm seine Fansund steigen auf die Bänke.

Grebe macht alles richtig, sein Witz ist erhellend(das Schlimmste für das Klima seien die Trennungen,weil danach jeweils zwei Kühlschränke, zweiWaschmaschinen gebraucht würden statt einerwie vorher), Selbstironie ist inklusive. "Ichbin oben, ist das nicht krass? Eben noch unten.Und jetzt das.", singt er selig und ziehtdie Neureichen heftig durch den Kakao. Mitdenen hat Grebe natürlich nichts zu tun, erist auch nicht "massenkompatibel", auch wennso viele Leute gekommen sind.

Die zücken später, als es zu dunkeln beginnt,brav ihre "Leuchtmittel", Grebe hat die Arenagewollt, also soll er sie auch bekommen. Mitallem Zubehör. Dafür zahlt er im "Länderblock"mit den Hymnen auf Sachsen-Anhalt und denRest des Ostens zurück. Rainald Grebe Superstar,er wird bestimmt noch ein Lied dazu schreiben.