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Berlin Berlin: Friedrichstadtpalast will seine Revue retten

Von Jörg Schurig und Jutta Schütz 10.10.2008, 09:22
Der ukrainische Jongleur Victor Kee arbeitet im neuen Programm «Qi - eine Palast-Phantasie» mit drei Bällen. (Foto: dpa)
Der ukrainische Jongleur Victor Kee arbeitet im neuen Programm «Qi - eine Palast-Phantasie» mit drei Bällen. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - «Leichte Unterhaltung ist Schwerstarbeit», meint der neue Intendant des Berliner Friedrichstadtpalastes, BerndtSchmidt. Er will nicht nur die neue Show «Qi - eine Palast-Phantasie» zur Erfolgsnummer machen, sondern zugleich das traditionsreiche Hausan der Friedrichstraße wieder auf Kurs bringen. Erst kürzlich hatte das Abgeordnetenhaus eine Finanzspritze in Millionenhöhe bewilligt. Und dann will der Chef auch noch das Genre an sich zu retten, denn ohne Publikum klingelt es bekanntlich nicht in der Kasse. «Die Revue muss im 21. Jahrhundert ankommen», sagt Schmidt.

Die Attribute für eine moderne Show liefert Schmidt gleich mit:mutig, frech, sexy, farbenfroh, energiegeladen und tolerant - so wie Berlin gern ist oder sein will. Das alles möchte der zu DDR-Zeiten gebaute Palast mit seiner neuen Produktion beweisen. Am Donnerstag hatte die bunte Show Premiere. Die Gäste, darunter hauptstädtische Politiker und bekannte Gesichter aus dem Showgeschäft, waren begeistert. Schon während des Finales gab es stehende Ovationen undJubel. Nachher griff der Intendant noch einmal zum Mikrofon. «HatRevue eine Zukunft?» Die Antwort aus dem Saal kam einhellig: «Ja».

Spätestens da ist Schmidt wohl ein Stein vom Herzen gefallen. Beiseiner kleinen Eröffnungsrede hatte er eher nachdenklich gewirkt undfast schon beschwörende Worte gefunden. «Der Friedrichstadtpalast istein Solitär in der deutschen Kulturlandschaft. Deshalb muss er unterArtenschutz stehen». Die Politik solle erfahren, dass das Geld gutanlegt sei. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)durfte denn auch im früheren Sessel von Erich Honecker Platz nehmen.Natürlich sei der Platz vorher desinfiziert worden, versicherte derIntendant und bekam dafür ein paar Lacher.

Die «Qi-Phantasie» soll nun die Wende für den Palast bringen. DieBerliner bieten Revue meist auf hohem Niveau. Die Technik spieltbestens mit und zeigt alle Möglichkeiten. Da wird eine 220Quadratmeter große Eisfläche auf die Bühne geschoben und wenig spätervon einem 220 Tonnen schweren Wasserbecken abgelöst. In Windeseileentsteht für die Artisten der «Fliegenden Kraniche» aus Russland einNetz für ihre atemberaubende Trapez-Nummer. Hunderte Lichtersimulieren einen Sternenhimmel, Scheinwerfer bündeln das Licht zurMusik - in Berlin ist Showtime und alles ist vom Feinsten.

Und so glitzert und glänzt es in Regie von Jürgen Nass in Europasgrößtem Revuetheater ohne Ende. Die Tänzerinnen und Tänzer erscheinenmit immer neuen Kostümen und viel Federschmuck. Frank Nimsgern hatdie Musik geschrieben und arrangiert, Madonnas «Like A Virgin» kommtals anrüchige Tango-Nummer daher. Das Ballett tanzt im künstlichenRegen und kommt bei Schwanensee auf Fahrrädern angefahren - natürlichvorschriftsmäßig beleuchtet. Ein Tänzer schwebt als Dirigent in derLuft. Dann wird die Reihe der klassischen Schwäne von Breakdancernaufgemischt - die Revue ist im 21. Jahrhundert angelangt.

Auch handgemachte Kunst mag das verwöhnte Publikum noch zubegeistern. Jongleur Viktor Kee (Ukraine) wird zum Publikumslieblingdes Premierenabends. Auf ganz eigene Weise verbindet er Jonglierenmit Pantomime und Tanz. Jubel gibt es auch, wenn die aus 32Tänzerinnen formierte Girlreihe die Beine im Gleichtakt nach obenschwingt - ein Markenzeichen des Friedrichstadtpalastes. Selbst derintensive Kuss eines tanzenden Männer-Duos wird beklatscht. Einopulentes Schlussbild mit Bühnenfeuerwerk krönt das Spektakel nachdrei Stunden einschließlich Pause.

Mehr Glanz und Zuschauer kann das zuletzt gebeutelte Haus an derFriedrichstraße auf jeden Fall gebrauchen. Die neue Show mit rund 100Mitwirkenden sei in nur zehn Monaten erarbeitet worden, argumentiertder Intendant ökonomisch. Am Premierenabend rechnet er den Politikernvor, dass schon 104 245 «Qi»-Tickets reserviert oder im Vorverkaufabgesetzt worden. Schmidt weiß, dass sich gerade in Krisenzeiten dieLust auf Unterhaltung gegenteilig zum Börsenkurs verhalte. Deshalbkönne die Devise auch weiter nur heißen: «The Show must go on».