Berlin Berlin: Der Neue zeigt Elan und Feuer
BERLIN/MZ. - Weshalb Klemens Koschig nach Berlin gekommen sei, wisse er zwar nicht, spöttelte Conférencier Herbert Feuerstein - aber dass "die Damen und Herren Orchestermusiker hier Asyl suchen", muss nach dem Einstand von Antony Hermus weder das Stadtoberhaupt noch sonst jemand befürchten.
Der Mond hinter dem Dom
"First Night - Klassik Spektakulär" hatten die Berliner den Auftakt der "Classic Open Air" betitelt - ein launiges Estradenprogramm aus Oper, Operette und Orchesterlied auf der Bühne am Gendarmenmarkt, vor pittoresker Kulisse und Tausenden von Zuhörern, zwischen denen etliche Plätze leer geblieben waren. Drunten die Publikumswünsche, drum herum die Partys in den Geschäftsetagen, draußen die brodelnde Stadt, und zu Cardillos Tenorschnulze "Core'ngrato" lugte der Mond zwischen den Kuppeln des Deutschen Doms hindurch: Das hatte Charme. Aber wie klingt sie denn jetzt, die Anhaltische Philharmonie, wenn der neue Generalmusikdirektor am Pult steht? Antony Hermus ist kaum zu bremsen in Tempo, Elan und Leidenschaft. Er gibt dem Abend, dem Publikum und dem Orchester Feuer, bevor die Raketen steigen, und hält auch die nicht immer leicht zu begleitenden Sänger fest im Kontext.
Ob "Lohengrin"-Vorspiel, ob "Aida"-Triumphmarsch mit makellosen Fanfarentönen, ob Dvoraks Slawischer oder Brahms' Ungarischer Tanz, ob duftiger Blumenwalzer oder die schmissige "Granada"-Einlage mit Tenor Andrew Richards: Alles wird vital, kontrastreich und sorgfältig gespielt. Nachdem der Gefangenenchor aus "Nabucco" im Regenguss ertrunken ist, flüchtet das Publikum in die Pause.
Herbert Feuersteins Moderation hingegen geriert sich lau wie die Sommernacht, etwa so: Das Torerolied aus Bizets "Carmen" werde in französischer Originalsprache gesungen, damit der Stier es auch verstehe. Bitte? Solche Anmoderationen hätte der verwegen seine Jacke schwenkende Countertenor und Bariton Hagen Matzeit nicht gebraucht. Gruseliger kommt Rossinis "Katzenduett" mit dem Moderator als Kater daher, gottlob ist die Nummer - wie viele andere auch - gekürzt worden.
Carmen Fuggiss hatte sich von der "Traviata" zu Johann Strauss' "Schwipslied" ins passende Stimmfach hochgearbeitet, zum "Seufzergalopp" ächzte auf Kommando das Publikum. Ob Feuerstein den Dirigenten schließlich als Götterboten Hermes deklarierte, weil der Himmel nun kein Wasser mehr schickte, ist nicht bekannt.
Fulminantes Feuerwerk
Und schließlich synchronisierten die Pyrotechniker ihre Böller und Leuchtsalven exakt mit der Partitur - ein Musikfeuerwerk, das seinen Namen verdiente! Ein fulminantes Finale, heftig und ungeduldig - genau wie der der Beifall der Berliner, die sich auch gestern von der Anhaltischen Philharmonie unterhalten ließen. Umso gespannter darf man den Tag erwarten, da sich das Ensemble und sein neuer Chefdirigent erstmals daheim dem sinfonischen Repertoire widmen.