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Bergsteigen Bergsteigen: Nanga Parbat wirft Schatten

Von Sabine Dobel 16.06.2003, 06:53
Undatierte Aufnahme des Südtirolers Günther Messner. Der 23-Jährige aus Vilnoes war im Juni 1970 beim Abstieg von dem 8126 Meter hohen Nanga Parbat ums Leben gekommen. Die bis heute ungeklärten Umstände seines Todes bieten wieder Zündstoff: Zwei Bücher ehemaliger Expeditionsteilnehmer beleuchten das Unglück neu und auch Günthers Bruder Reinhold Messner gibt seine Darstellung in einem neuen Buch. (Foto: dpa)
Undatierte Aufnahme des Südtirolers Günther Messner. Der 23-Jährige aus Vilnoes war im Juni 1970 beim Abstieg von dem 8126 Meter hohen Nanga Parbat ums Leben gekommen. Die bis heute ungeklärten Umstände seines Todes bieten wieder Zündstoff: Zwei Bücher ehemaliger Expeditionsteilnehmer beleuchten das Unglück neu und auch Günthers Bruder Reinhold Messner gibt seine Darstellung in einem neuen Buch. (Foto: dpa) dpa

München/dpa. - «Das ist eine konzertierte Aktion zu dem Versuch, meineGlaubwürdigkeit zu untergraben», sagt Messner. «Deshalb werde ichmich wehren.» Darstellung steht gegen Darstellung. Nach mehr als dreiJahrzehnten brechen die beiden Expeditionsteilnehmer von damals, HansSaler «Zwischen Licht und Schatten» und Max-Engelhardt von Kienlin(«Die Überschreitung»), ihr Schweigen - nicht ohne Grund, wie siebetonen: Sie hätten sich an die Arbeit gemacht und ihre Erinnerungenaufgeschrieben, nachdem Messner Beschuldigungen gegen seine Kameradenvon damals erhoben habe.

Zwischen den ehemaligen Bergkameraden klaffen tiefe Abgründe. «Wirsind beauftragt, rechtliche Schritte zu prüfen», sagt MessnersHamburger Anwalt Matthias Prinz. Gesichert ist: Der 24-jährigeGünther stieg an jenem 27. Juni spontan dem alleine aufgebrochenenReinhold nach, holte ihn ein und erreichte mit dem um ein Jahrälteren Bruder den Gipfel. Nach sechs Tagen trifft Reinhold Messnerwieder mit den Expeditionsteilnehmern zusammen. Günther istverschollen.

Messner habe seinen geschwächten Bruder nach dem Gipfelsiegalleine auf den Rückweg geschickt, um selbst auf der anderenBergseite abzusteigen und seine Idee von der Überschreitung zuverwirklichen, glauben Saler und von Kienlin.

«Es ist alles in Ordnung», ruft Messner, wie Saler es darstellt,nach dem Gipfelsieg zwei nachsteigenden Bergsteigern zu, als er beimAbstieg an einer knapp 100 Meter hohen Steilwand kurz in Rufweitekommt. Für die beiden habe es keinerlei Grund für die Annahmegegeben, dass die Messner-Brüder in Not waren, schreibt Saler. «Eswar kein Wort nach Hilfe erklungen, kein Wort nach einem Seil, keinWort, dass Günther krank wäre», gibt einer der Nachsteiger später zuProtokoll.

Messner spricht hingegen von einem Missverständnis. Er habe dreiStunden um Hilfe gerufen, schreibt er in «Die Weiße Einsamkeit»,seinem dritten Buch, das sich nur um den Nanga Parbat dreht. Er habedann aber nicht auf Hilfe bestehen können, um die Kameraden nicht inGefahr zu bringen.

Von Kienlin, damals enger Freund der Messner-Brüder, packt weitereDetails aus. Er protokolliert seine ersten Gespräche mit Messner,nachdem dieser mit erfrorenen Zehen das Tal erreicht hat. Güntherhabe ins Lager zurück gewollt, zitiert von Kienlin Messner. Bei demSichtkontakt mit den anderen Bergsteigern in der Scharte sei Messnerschon alleine gewesen - auf dem Weg zur Diamir-Flanke.

Messner weist diese Darstellung strikt zurück. Sein völliggeschwächter Bruder sei zu dem Zeitpunkt noch bei ihm gewesen -Günther sei es gewesen, der aus Angst vor dem Rückweg den neuen Wegabsteigen wollte. Er selbst habe die Idee einer Überschreitung längstverworfen gehabt. Und auf den folgenden Seiten wiederholt er immerwieder: Es sei nur noch ums Überleben gegangen. Günther sei nach zweiTagen und Nächten Abstieg vermutlich von einer Eislawine begrabenworden, als er selbst voraus stieg, um den Weg zu suchen.

Der Streit um den Tod des jüngeren Messner-Bruders hat bereits inden 70er Jahren die Gerichte beschäftigt. Damals allerdings verklagteMessner den Leiter der Expedition, den Münchner Arzt Karl MariaHerrligkoffer, wegen fahrlässiger Tötung und unterlassenerHilfeleitung. Insgesamt mehr als ein Dutzend Mal musste sich dasGericht damals bereits mit den Umständen der Expedition befassen.

Wie der neue Streit ausgehen wird, ist offen. Die Bücher sind ersteinmal allesamt auf dem Markt. Messner hat angekündigt, er wollealles daran setzen, die Leiche seines Bruders doch noch zu finden.Denn wenn der Leichnam gefunden werde, erweise sich auf Grund desFundortes, wer Recht habe.

Reinhold Messner: Die Weiße Einsamkeit. Mein langer Weg zum NangaParbat,Piper Verlag, München, 288 Seiten, Euro 22,90(ISBN3-89029-252-6)

Hans Saler: Zwischen Licht und Schatten. Die Messner-Tragödieam Nanga Parbat,A1 Verlag, München, 222 Seiten, Euro 17,40(ISBN 3-927743-65-8)

Max-Engelhardtvon Kienlin : Die Überschreitung. Günther Messners Tod am NangaParbatVerlag F.A. Herbig, München, 280 Seiten, Euro 22,90(ISBN 3-7766-2345-4)