Benjamin Lebert Benjamin Lebert: Eine getriebene Generation wird thematisiert

Köln/dpa. - Die Träume und Empfindlichkeiten seiner Generationsind der Stoff, aus dem Benjamin Leberts Romane bestehen: Mit«Crazy», der stark autobiografischen Geschichte pubertierenderInternat-Jungs, wurde er 1999 zum gefeierten Nachwuchsautor; 2003folgte «Der Vogel ist ein Rabe». In seinem neuen Roman «Kannst du»sind erneut die jungen Erwachsenen die verzweifelten Helden. Unterder Bürde der auf ihnen lastenden Erwartungen werden sie zuGetriebenen, drohen seelisch zu zerbersten. Mit Empathie und dochschonungslos porträtiert Lebert eine Generation, der der rebellischeEifer abhanden gekommen ist.
«Kannst du» erzählt die Geschichte von Tim und Tanja. Sie lernensich in der Kneipe kennen und gehen gemeinsam auf Interrail-Reisedurch Skandinavien. Für beide ist es eine Flucht. Tim,Jungschriftsteller Anfang 20, steht unter Erfolgsdruck, bringt aberkaum ein Wort zu Papier. Die 18-jährige Tanja scheint zwar mitten imLeben zu stehen, doch auch sie sucht nach Halt, nach ihrem Lebens-Sinn, kann sich aber nicht von den Ansprüchen befreien, die sie zuerdrücken drohen. Die gemeinsame Tour steht unter keinem guten Stern:Die Beziehung zwischen Tim und Tanja ist von Beginn an ambivalent,und rasch stellen sich Konflikte ein. Zudem zeigt sich bald, dassTanja psychisch leidet und dem Druck, der auf ihr lastet, nichtgewachsen ist. Am Ende startet Tim einen Rettungsversuch. Ob erglückt, bleibt offen.
Wie «Crazy» und «Der Vogel ist ein Rabe» enthält auch der neueRoman zahlreiche Parallelen zu Leberts Biografie. Aus TimsPerspektive schildert er die Eindrücke des Jungautors, und so liestsich das Buch stellenweise wie eine Satire auf den Literatur-Betrieb.Das ist spannend zu lesen, geht aber größtenteils an derErfahrungswelt seiner Altersgenossen vorbei. Stattdessen ist es eherTanja, in der sich die Nöte der «Generation Praktikum» spiegeln.
Die Verzweiflung und Widersprüchlichkeit der Protagonistenreflektiert Lebert mit lyrischen Schilderungen, heftigem Slang undgrößtenteils stakkato-artigen Sätzen. Mehrere Dialoge gibt er derAuthentizität wegen in Englisch wieder - keine schlechte Idee,allerdings ist er dabei nicht konsequent. Die Banalität einigerdieser Small Talks wäre auf Deutsch wahrscheinlich kaum zu ertragen.
Vor allem die Randgeschichten sind es, bei denen Lebert großeemotionale Tiefe beweist. Wenn er Tim von seinem behinderten Bruderoder seiner Mutter erzählen lässt, geht das unter die Haut. ImKontrast dazu steht das gestörte, kühle Eltern-Kind-Verhältnis beiTanja. «Kannst du» ist ein lesenswerter Roman, mit dem Lebertdurchaus an seinen früheren Erfolg anknüpfen könnte, auch wenn er wieschon bei «Der Vogel ist ein Rabe» ohne den Bonus des Teenager-Autorsauskommen muss.
Benjamin Lebert: Kannst du Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 267 S., Euro 9,95 ISBN 3-462-03664-5