Belgien Belgien: Monsterbabys, Riesenspinne und Elefanten

Oostende/dpa. - Auf den 65 Küstenkilometern zwischen derniederländischen und französischen Grenze treffen Belgienbesucher bis zum 1. Oktober auf jüngste Werke international bekannter Künstler wieStephan Balkenhol, Ilya und Emilia Kabakov oder Mimmo Paladino.Insgesamt 20 Skulpturen und Installationen zieren seit einigen TagenPromenaden, Piers und Strand, sowie - mit «zehn Mal Malerei» - auchKirchen vom mondänen Knokke-Heist im Norden bis zum südlichen BadeortDe Panne.
«2006 Beaufort», so der pfiffige Titel des nach Windstärkenbenannten Kunstprojektes, ist die zweite Ausgabe der erstmals 2003organisierten «Triennale für zeitgenössische Kunst am Meer». Das fünfMillionen Euro teure Projekt «2003 Beaufort» hatte mit über 30renommierten Künstlern wie Daniel Spoerri, Anish Kapoor, Thomas Ruffoder Anthony Gormley rund 600 000 Kunstfans, davon 450 000 aus demAusland, ans Meer gelockt. Eingebracht hatte die erste Freiluft-Galerie mit Kunstwanderführer 25 Millionen Euro.
Zu den diesjährigen spektakulären Highlights des Kunstparcourszählt mit Abstand die monumentale «Maman» (Mutter) als Schöpfung derergrauten Grande Dame des Surrealismus, Louise Bourgeois. Aus neunMetern Höhe wacht ihre schwangere Riesenspinne auf acht krummenBeinen über dem schlichten Grab eines der berühmtesten belgischenKünstler: James Ensor (1860-1949). Der in seiner Heimatstadt Oostendelange missachtete Maler liegt auf dem Kirchhof seinerLieblingskirche, der Oostender Dünenkirche bei Mariakerke, begraben.
Nur von weitem ist ein zweites Kunstwerk in Oostende ausgebührendem Abstand zu erkennen. Prominent auf dem Dach des Casinosplatziert, dirigiert aus luftiger Höhe Jan Fabres «Astronaut» dasMeer: Im orangenfarbenen Overall steht der Weltraumfahrer alsDirigent an der Kante des frisch renovierten Baus. Modell für denMann, der aus astronomischer Entfernung den «blauen Planeten» gesehenhat, stand der erste belgische Astronaut Dirk Frimout. Zurück auf derErde unternimmt er in der Großstadt am Meer den vergeblichen undpartiturlosen Versuch, kosmische Unendlichkeit zu fassen.
Durch den Nachbarort, dem als «Comicstadt» bekannten Middelkerke,krabbeln drei monströse, antlitzlose Cyber-Babys, die David Cerny vomDach des Casinos und dem Damm der Promenade aus ihre Umgebungentdecken lässt. Die ursprünglich vom tschechischen Künstler für denOrt geplante Arbeit ist nur in der begleitenden Ausstellung im Museumfür Moderne Kunst (PMMK) in Oostende zu sehen: Cernys gefesselterDiktator Saddam Hussein, der nackt in einem Aquarium dümpelt, war demBürgermeister des Ortes als Außenarbeit zu skandalträchtig.
Provokant martialisch ist auch die «Body-Bar» des NiederländersJoep van Lieshout und seines Ateliers. Jedem Küstenstraßenbahn-Fahrer, jedem Radler auf dem Küstenradweg oder Autofahrer räkelt sichdie Polyester-Frauengestalt in Bredene verlockend fleischfarben undknapp bekleidet entgegen. Einziger Makel der glatten Schönheit:Gliedmaßen und Kopf sind blutig so abgetrennt, dass sie über ihreStümpfe zur betretbaren «Körper-Kneipe» wird. In der können dieBesucher zwar sitzen oder Dart spielen, Getränke, etwa das berühmtebelgische Bier, müssen sie aber selber mitbringen.
Zur eingängigeren Kost zählt in De Panne etwa die Elefantenherdedes Südafrikaners Andries Botha: Dies nicht wegen ihrer Anspielungauf den blutigen Kolonialismus der über den Küsten-Ort ans Kap derGuten Hoffnung ausgewanderten Buren, sondern wegen ihrer drolligenGestalt, mit der die neun aus Holzteilen dickfelligzusammengeschraubten Tiere den Strand von De Panne überqueren.
Aus den Dünen kommend, ziehen Bothas Bullen, Jungbullen,Elefantenkühe und Nachwuchs eilig Richtung Meer. Als der Südafrikanerdie Skyline von Belgiens Küste sah, änderte er seinen ursprünglichenPlan, die Tiere aus dem Meer an Land kommen zu lassen: Wer daserblickt habe, soll Botha gesagt haben, «geht wieder zurück». Soerzählt es jedenfalls der Kurator von «2006 Beaufort» undMuseumsleiter von Oostende, Willy van den Bussche.