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Bayern Bayern: Eine «Ehrverletzung» des Märchenkönigs

20.11.2008, 07:28
In Tracht gekleidete Männer stehen in der Nähe der oberbayerischen Ortschaft Berg (Landkreis Starnberg) mit dem König Ludwig II.-Schild ihres Vereins (FOTO: DPA)
In Tracht gekleidete Männer stehen in der Nähe der oberbayerischen Ortschaft Berg (Landkreis Starnberg) mit dem König Ludwig II.-Schild ihres Vereins (FOTO: DPA) dpa

Füssen/München/dpa. - Ludwig II., der Erbauerder Schlösser von Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof, sollnicht nur homosexuell gewesen sein, sondern zum Ausleben seinerNeigung untergebene Reitersoldaten sexuell missbraucht haben. Sosteht es in dem soeben erschienenen Buch «Ein König wird beseitigt:Ludwig II. von Bayern» des Heidelberger Psychiaters und NeurologenHeinz Häfner. «Die Erkenntnisse stehen auf einer sehr soliden Basis,das Buch ist eine wissenschaftliche Arbeit», verteidigt sich Häfnergegen Angriffe.

«Das hat sich der Herr Professor aus den Fingern gesogen und dafürkeinerlei Beweise vorgelegt», wirft der Vorsitzende der Königstreuenin Bayern, Stefan Jetzt (Altötting), dem Buchautor vor. Die Vorwürfegegen den König seien «wirres Zeug», Häfner sei mit dem Namen «LudwigII.» auf Sensationen aus, ohne die Beweise dafür zu liefern. «DerKönig war viel zu katholisch, um sich an Untergebenen zu vergreifen.»Die Vorwürfe in Häfners Buch seien eine «Ehrverletzung» des 1886gestorbenen Königs, der sich nicht mehr verteidigen könne.

Dem widerspricht Häfner entschieden. Er habe in seinem über 540Seiten starken Buch seine Angaben mit seriösen Quellen belegt. AlsWissenschaftler sehe er sich der Wahrheit gegen jede Legendenbildungverpflichtet. «Es gibt eindeutige Briefe des Königs an Lakaien mitdem Hinweis, diese sofort zu verbrennen, was offenbar nicht geschehenist», belegt Häfner seine Erkenntnisse. Diese Schreiben ließen esnicht an «anatomischer Deutlichkeit» fehlen. «Die homosexuellenNeigungen des Königs wurden doch damals an den Wirtshaustischen offendiskutiert.» Das habe dann auch entscheidend für die Absetzung desKönigs durch seinen Onkel, den Prinzregenten Luitpold, beigetragen.

Davon will der Berliner Ludwig-Forscher und Autor mehrererLudwig-Bücher, Peter Glowasz, nichts wissen. Für ihn sind HäfnersAngaben «abscheuliche Unterstellungen» ohne «seriöse Quellen». Dievon Häfner angeführten Briefe signalisierten zwar ein sexuellesInteresse des Königs an Männern, Beweise für einen «tatsächlichenhomosexuellen Verkehr» gebe es aber nicht. Allerdings räumt Glowaszein, dass diese Verdächtigungen bei der «Beseitigung des Königs» 1886eine erhebliche Rolle gespielt hätten. Glowasz ist wie die meistenKönigstreuen der felsenfesten Meinung, dass Ludwig II. erschossenwurde und nicht - wie offiziell angegeben - im Starnberger Seeertrank.

Häfner bedauert die einseitige Bewertung seines Buches nur aus derPerspektive der homoerotischen Züge des Märchenkönigs. Er habe inseinem Buch schlüssig dargelegt, dass Ludwig nicht geisteskrank war,wie es bis heute behauptet wird. «Ludwig war ein geistighochbegabter, gewissenhafter und intensiv künstlerisch interessierterMann.» Seine historischen Verdienste, wie die Gründung derTechnischen Universität München, werden nach Häfners Meinung bisheute verschwiegen. Allerdings stand Ludwig II. in einer damals nichtmehr zeitgemäßen dynastischen Tradition, der Hinwendung zurabsolutistischen Monarchie. Wegen seiner Schüchternheit habe er seinerepräsentativen Verpflichtungen in der Öffentlichkeit, nicht aberseine Regierungsgeschäfte, vernachlässigt. Häfner: «Er war beimRegieren extrem sorgfältig, litt aber wegen seiner sexuellenNeigungen massiv an Schuldgefühlen».

Für die Königstreuen und Monarchisten in Bayern bleibt LudwigsBild unangetastet. Für sie ist und bleibt er die Lichtgestalt inBayerns Monarchie von Napoleons Gnaden. Darauf soll kein Schattenfallen. Deshalb kommt Glowasz auch zu dem Schluss, Heinz Häfner habemit seinem Buch dem Ansehen Ludwig II. «sehr geschadet». DieGefühlswelt Ludwig II. sei so außerordentlich, dass alle Versucheeiner sexuellen Festschreibung vor ihr versagen müssten.

Heinz Häfner, Ein König wird beseitigt: Ludwig II. von Bayern; C.H.Beck Verlag München, 544 Seiten, 38 Euro