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Band Haudegen Band Haudegen: Berliner Duo präsentiert Autobiografie voller Blut, Schweiß und Tränen

Von Steffen Könau 13.11.2016, 11:00
Die schwergewichtigen ehemaligen Türsteher Hagen Stoll und Sven Gillert (r.) wurden vor fünf Jahren zu Haudegen.
Die schwergewichtigen ehemaligen Türsteher Hagen Stoll und Sven Gillert (r.) wurden vor fünf Jahren zu Haudegen. Haudegen

Kaum mehr als fünf Jahre ist es her, dass Hagen Stoll und Sven Gillert in die deutsche Musikszene platzten wie zwei Schwergewichtsboxer in einen piekfeinen Ballettabend.

Bis zur Halskrause tätowiert, die Gesichter vom Leben gezeichnet, die Körper voluminös wie die Stimmen. Die beiden ehemaligen Türsteher nannten sich „Haudegen“, sie sangen melancholische Lieder über ihren Großvater, ihr Zuhause und die Verlässlichkeit von eines Mannes Wort. Hunderttausende glaubten ihnen auf Anhieb.

Ein Phänomen, das viel mit Echtheit in einer Zeit zu tun hat, die nur noch Oberfläche zu kennen scheint. Ein Phänomen aber auch, dem die beiden Hauptakteure bis heute staunend hinterherschauen.

Hagen Stoll und Sven Gillert pflegen denselben Stil

Hagen Stoll hat schon kurz nach dem großen Durchbruch mit der Autobiografie „So fühlt sich Leben an“ auch sich selbst zu erklären versucht, wie er vom kaum wahrgenommenen Rapper Joe Rilla zu einer Hälfte des erfolgreichsten Deutschrock-Duos werden konnte.

„Haudegen - Zusammen sind wir weniger allein“ erzählt die Geschichte der beiden handfesten Paradiesvögel in der geschniegelten und gefönten deutschen Pop-Welt mit ihren Casting-Stars und Superproduzenten nun konsequent im Duett mit Sven Gillert weiter.

Der, im ersten Teil nur eine Art große Randfigur, schildert hier das Milieu, aus dem er stammt. Ostberlin, halbe Treppe, Arbeiterfamilie. Viel funktioniert über Gewalt und alles unterhalb der Schwelle, für die sich der DDR-Staat interessiert.

Sven Gillert, ein Plattenbaukind wie Stoll, den er witzigerweise schon während der Schulzeit beim Floßfahren an einem Baggersee kennengelernt hatte, pflegt denselben nüchternen Stil wie Stoll.

Stoll und Gilbert gehen mit Haudegen durch Höhen und Tiefen

Dass es nicht einfach war, ohne Vater aufzuwachsen, dass er Abwege gegangen ist, Irrwege auch, und nicht immer sicher war, ob vor ihm irgendwann einmal die richtige Richtung auftauchen wird, daran lässt der 38-Jährige keinen Zweifel.

Stimmungsvoll und detailreich breitet Gillert seine Seite der Haudegen-Story aus, die auch von innen gesehen nie widerspruchsfrei war. Aus dem Neubau am Rande Berlins in die Hitparade - das funktionierte zumindest nach Auffassung der beiden Akteure nur, weil die pfundige Freundschaft der beiden Akteure allen Zurückweisungen durch die Plattenindustrie, den unverschämten Angeboten eines Umbaus zu einem vermarktungsfähigen Produkt und auch den Verführungen des frühen Ruhms widerstand.

Gillert und Stoll, die auf den 318 Buchseiten zuweilen auch im Dialog zum Leser sprechen, haben sich aneinander festgehalten und sich gegenseitig aufgerichtet, wenn die Aussichten auf einen Plattenvertrag gerade wieder bei Null lagen.

Zwei Haudegen raufen sich zusammen und produzieren neue Platten

Erst als der Erfolg sich dann mit dem zweiten Album noch einmal multiplizierte und die Routine von Auftritt, Autogrammstunde und Autobahn das Duo in die Finger bekam, bröckelte die Verbindung.

Hagen Stoll brachte ein blues getränktes Solo-Album heraus, Sven Gillert eröffnete eine Disco. Die „Blutsbrüder“, wie sie sich selbst nennen, sprachen nicht einmal mehr miteinander, wie sie im Buch freimütig gestehen.

Entfremdung, Distanz, Egoismus, der in ihrem Falle aber haudegengerecht in einem Happy End gipfelt. Angetrieben von der Fangemeinde, die nie müde wurde, zu fragen, wie es weitergeht, zimmerten Stoll und Gillert in einer Finca in Spanien „Lichtblick“ zusammen, ihr drittes und inzwischen erfolg reichstes Werk.

Krise überstanden, Kreativität zurückgewonnen: Gerade haben die beiden Haudegen schon das nächste Werk herausgehauen. Diesmal „Haudegen rocken Altberliner Melodien“.

Die Autobigrafie der Band Haudegen gibt es ab 12,99 Euro.
Die Autobigrafie der Band Haudegen gibt es ab 12,99 Euro.
Haudegen