Die Ernestiner Ausstellung in Weimar und Gotha: Die Ernestiner - Durch fünf Jahrhunderte

Weimar/Gotha - Wer kein regelmäßiger Leser der Regenbogenpresse ist, gerät hin und wieder ins Staunen, dass die Adelshäuser aus den Tiefenschichten der europäischen Geschichte keineswegs ausgestorben sind.
Auch nicht die von solch verzweigten Nebenlinien wie die Wettiner von „Sachsen-Weimar-Eisenach“, „Sachsen-Coburg-Gotha“ und „Sachsen-Meiningen“.
Im Katalog der am Samstag beginnenden thüringischen Landesausstellung „Die Ernestiner – Eine Dynastie prägt Europa“ in Weimar und Gotha sind sie mit einem Grußwort vertreten, immerhin an zweiter Stelle nach dem Regierungschef und Linken Bodo Ramelow, in dem sie den „außerhalb der Wissenschaft weitgehend unbekannten“ Begriff der „Ernestiner“ überrascht zur Kenntnis nehmen.
Zwar hätte den Herrn schon ein Blick in „Wikipedia“ geholfen, aber es stimmt durchaus, dass sich, wenn schon nicht das Haus Wettin, so doch die Geschichtswissenschaft intensiv mit den Folgen der „Leipziger Erbteilung“ von 1485 befasst hat.
Kurfürst Ernst und sein Bruder Albert teilten die wettinischen Lande unter sich auf, was bald zu weiteren, fast unüberschaubaren Verästelungen führte. Und zwar hauptsächlich bei den „Ernestinern“, im Gegensatz zu den stets auf ungeschmälerten Machterhalt gesinnten kursächsischen „Albertinern“.
Blütentreibende Hofkultur
Die Ausstellung unter der gemeinsamen Federführung der Stiftung Weimarer Klassik – die neben dem Stadtschloss das Neue Museum wieder nutzen kann – und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha führt nun durch fünf Jahrhunderte einer Hofkultur, die dank dieser Teilung immer neue Blüten trieb.
Äußerst kostspielige freilich, wie man beim Gang durch den üppigen Frühbarock des Gothaer Schlosses erahnen kann. Dort und im nicht minder prunkvollen Herzoglichen Museum haben die Gothaer ihren Beitrag zum Thema ausgebreitet. (mz)
Nun können die Thüringer beinahe froh sein, dass es ein ernestinisches Kursachsen nur bis zur verlorenen Schlacht von Mühlberg 1547 gegeben hat. Wollte man die Ernestiner ausschließlich bis zu ihrer Degradierung zum hauptsächlich thüringischen Herzogtum würdigen, dürfte die Landesausstellung wohl kaum auf Thüringen beschränkt bleiben.
Dankenswerterweise ist das auch dem Weimarer Veranstalter bewusst, der der Ära Friedrichs des Weisen und seiner unmittelbaren Nachfolger angemessenen Platz einräumt. Alles andere wäre irrwitzig, denn wenn es eine verbindende Linie in der Geschichte der Ernestiner gibt, so ist es, ausgehend von Friedrichs Protektion Luthers, die selbst erteilte Schutzherrschaft über die Lutheraner.
„Ernestiner und der Glaube“
So passt das denn auch wunderbar ins Vorjahr des Reformationsjubiläums. Dem dient auch die thematische Ordnung der Ausstellung. Man will „Geschichten erzählen“, wissenschaftliches Instrumentarium ist spürbar zurückgefahren.
„Die Ernestiner und der Glaube“ macht den Auftakt im Neuen Museum, und da gelingt es sogar, mit einigen selten gesehenen Stücken die spezielle Frömmigkeit Friedrichs des Weisen ins Licht zu rücken.
So wollte er sich seiner Pilgerreise von 1493 ins Heilige Land erinnern und ließ einen Maler, der mit Jacob Elsner benannt wird, ein „Gedächtnisbild“ der heiligen Stätten Jerusalems anfertigen und Lucas Cranach eine Karte von „Canaan“, die gar die Israelische Nationalbibliothek ausgeliehen hat.
Und „neu“ ist auch der kostbare „Reformationsteppich“ von ca. 1555, den die Klassik-Stiftung 2005 mit Mitteln der Siemens-Stiftung erwarb und nach aufwändiger Restaurierung nun erstmals zeigt.
Auf der „Glaubens“-Fährte stößt man sehr bald auf Herzog Ernst den Frommen. Der Gothaer Spross der Fürstenfamilie trat 1640 seine 35-jährige Herrschaft mit einer von allen Kanzeln verkündeten Moralpredigt an, die den Untertanen ein durch und durch verlottertes Leben vorhielt, dem künftig mit allerchristlichster Zucht beizukommen sei.
Ernst, dessen Regierungszeit in der aktuellen Forschung einer „Neubewertung“ unterliegt, stellt die Kuratoren ganz offensichtlich vor ein Dilemma, denn man mag doch nicht so ganz von seinem Ruf eines „Reformers“ abrücken und verbreitet auf Plakaten unter seinem Konterfei die Parole „Bildung für alle!“
Aber seine rigorose Gewissenstyrannei lässt sich mittlerweile nicht mehr verstecken. Ernsts „Landesordung“ ist beim Punkt „Bestrafung der halsstarrigen Entheiligung des Sabbats“ aufgeschlagen.
Geschickte Heiratspolitik
Im Gothaer Schloss beginnen die „Geschichten“ mit denen, die eine Regenbogenpresse jahrhundertelang hätte versorgen können: die der Heiratspolitik. So verschuldet, so territorial zersplittert wie die Ernestiner waren, wussten sie sich doch in den Zarenhof, ins spanische und ins englische Königshaus einzuheiraten.
Und wenn schon Schulden machen, dann doch bitteschön für großartige Bauten und die Förderung der Künste und Wissenschaften. Zu Recht kommen die Universität Jena und ihre Religionsphilosophen in den Blick, die die mittlerweile „aufgeklärten“ Ernestiner des 18. Jahrhunderts zum wissenschaftlichen Spiegelbild ihrer Musenhöfe machten.
Diese und viele andere Facetten der Ernestiner ziehen in immer neuen Objekten vorbei. Das Problem, die nötige geschichtliche Erläuterung in der Ausstellungsästhetik zu bändigen, gelingt den Designern des Weimarer Teils mit ihren sparsamen, ja innovativen Mitteln (man liest die Vitrinentexte auf „Bannern“, die man anhebt), weitaus besser als den Gothaer Kollegen mit ihren wuchtigen klavierlackierten Sockeln und aufdringlichen Texttafeln.
Zu wenig kommen die Untertanen in den Blick, und wenn, die bürgerlichen, die in den Adelslanden das Wirtschaften einführen. Und was geschah nach Absetzung und Abdankung November 1918? Ganz ins Nirwana verschwunden sind die Wettiner ja nicht, auch wenn sie ihre „ernestinische“ Geschichte vergaßen.
Eröffnung am Sonnabend, danach bis 28. August an allen Standorten in Weimar und Gotha, Di-So 10-18 Uhr. Der Katalog kostet 34,90 Euro. (mz)