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Schönheit des Augenblicks Ausstellung in Leipzig zeigt Bilder von Günter Rössler und Michael Bader

Von Mathias Schulze 29.08.2016, 18:58
Michael Bader: Aus der Serie „Hochwohlgeboren“. Rechts: Günter Rössler „Stefanie“, 1977
Michael Bader: Aus der Serie „Hochwohlgeboren“. Rechts: Günter Rössler „Stefanie“, 1977 Michael Bader, Günter Rössler

Leipzig - Der nackte, junge Körper. Heute ist er allgegenwärtig, um Waren anzupreisen. Ein schneller Klick, schon ist er da, um sexuelle Begierden aufzupeitschen. Bilder aus der digitalen Welt, die unsere analoge Wahrnehmung verändern. Vor dieser Gegenwart bekommen die Fotografien von Günter Rössler (1926-2012) eine ganz eigene und zeitgemäße Bedeutung. In ihnen liegt eine Aufklärung über unseren heutigen Blick, das Bestaunen exquisiter DDR-Mode inklusive.

Günter Rössler: Der Hochgelobte der DDR-Fotografie

„Meisterfotografie“ nennt sich die Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, sie zeigt über 100 Werke Rösslers - in diesem Jahr wäre der Hochgelobte der DDR-Fotografie 90 Jahre alt geworden. Zur Eröffnung der Schau berichtete der Regisseur Fred R. Willitzkat, der 2012 die filmische Dokumention „Die Genialität des Augenblicks - Der Fotograf Günter Rössler“ herausbrachte, von seiner ganz persönlichen Dankbarkeit. Worte über einen verlorenen Blick, Worte über Sicht - und Erfahrungsweisen, die nie mehr wiederkommen: „Ich bin so froh, dass ich mit den Aktbildern von Rössler aufwachsen durfte und so traurig, dass die heutigen Jugendlichen diese Rezeptionsweise gar nicht mehr erfahren können. Dafür ist die Flut der Nacktheit zu groß“, so Willitzkat. Interesseloses Wohlgefallen und sinnliche Fantasien auf der einen, geile Pornografie und taubes Reagieren auf der anderen Seite.

Arbeit mit Licht und Schatten

Rösslers zeitlose Ästhetik zielt auf Schlichtheit, sie spielt mit der Vorstellung einer reinen Ursprünglichkeit, die wir in der Wirklichkeit niemals vorfinden. Oder doch? Hier wird auf eine Erotik gesetzt, die den Rezipienten und dessen geistige Tätigkeiten mitdenkt. Man schaue sich „Stefanie“ (1977) an. Es ist nicht ausschließlich der nackte Körper, der Sinnlichkeit vermittelt. Es sind die Augen, die nassen Haare, die über die Stirn fallen. Und vor allem ist es die wild-verletzliche und unbändig-stolze Mimik. Oder man nehme „Renate G.“ (1969). Der Einwand gegen die künstliche Pose, das Plädoyer für die Natürlichkeit entsteht nicht allein durch die unbekleidete Frau, sondern dadurch, dass der prachtvolle Ledersessel mit ungezwungener Freizügigkeit beschlagnahmt wird. Allüberall sorgfältig komponierte Bildformen, eine inszenierte Privatheit. Allüberall eine Lust, die nicht angreifen, sondern auf Distanz bleiben will. Im Zusammenspiel mit den Bildern, die man selbst einbringt, liegt die Lust. Auch wenn Rösslers Aktfotografien hauptsächlich mit Licht und Schatten arbeiten, setzen seine Schaffensprinzipien Vertrauen, Geduld, Zeit, Offenheit und Wahrhaftigkeit, eben eine privilegierte (Künstler)-Stellung voraus.

Es ist der Schau zu danken, dass sie Rösslers Schaffen nicht nur auf die jungen, klugen, aktiven und selbstbewussten Frauen und deren modische Ausdrücke reduziert. Rössler, ausgebildet an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, arbeitete nicht nur für DDR-Blätter wie „Sibylle“ und „Das Magazin“, er war auch ein Meister der Foto-Reportagen, die ihn nach Albanien, Bulgarien, Sowjetunion, Polen, Rumänien, Ungarn führten. Volker Rodekamp, Leiter des Stadtgeschichtlichen Museums, sagt dazu: „Deshalb gibt es auch eine eher unbekannte Seite des Fotografen zu entdecken. Gerade zu den Balkan-Ländern hat er eine große Liebe entwickelt, dort sind berührende Bilder entstanden.“

„Mädchen aus der DDR“ im Playboy veröffentlicht

Man schaue sich nur „Budapest“ (1974) an. Kann man Fluch und Segen des gemeinsamen Älterwerdens zeitloser und zeitdokumentarischer, heute wären es die Smartphones, die eine Kommunikation verhindern, einfangen? Die westliche Welt hingegen dürfte Rössler vor allem aufgrund seines zwölfseitigen Kunstpictorials „Mädchen aus der DDR“, 1984 im „Playboy“ veröffentlicht, kennen.

Ebenfalls in der Schau zu sehen sind Kinderporträt-Serien von Michael Bader, der zudem drei große Fotos der Leipziger Bürgermeister seit 1990 beisteuert. Obwohl Herrscherporträts und die Suche nach schlichter Schönheit nur schwer vereinbar sind, ist es eine sehenswerte Schau, die uns vor allem daran erinnert, dass sehr gute Aktfotografie Persönlichkeiten und keine zu Objekten Degradierten abbilden, formen und zeigen kann.

Bis 31. Oktober: Meisterfotografie - Günter Rössler und Michael Bader. Im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, Böttchergäßchen 3, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr (mz)