Ausstellung im Schloss Hartenfels Ausstellung im Schloss Hartenfels: Luther und die Fürsten

Torgau - Wo, wenn nicht in Schloss Hartenfels, wäre ein so grundlegendes Reformationsthema wie „Luther und die Fürsten“ eindrucksvoller zu inszenieren? Wo Luthers Aufenthalt – durchaus auch in Diensten des Kurfürsten – mindestens 40 mal urkundlich nachgewiesen ist? Wo er mit der Schlosskapelle 16 Monate vor seinem Tod den ersten „protestantischen Kirchenbau“ einweihte? Wo Johann Friedrich der Großmütige (1532-1554), der Nachfolger der Luther-Beschützer Friedrich der Weise und Johann der Beständige, mit dem Neubau zweier Flügel den Palästen des französischen Königs nacheiferte und seinen Anspruch als protestantische Führungsmacht prachtvoll zur Schau stellte und zugleich Luther und Melanchthon in sein Bildprogramm aufnahm?
Selbstdarstellung und Selbstverständnis des Herrschers
All das weiß man auch bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Mit ihren unerschöpflichen Schätzen aus dem Erbe der Wettiner wiederum bieten sie genug „Content“ für die schon vor langer Zeit leer geräumten Gemächer auf, um sich für die erste „Nationale Sonderausstellung“ der Lutherdekade zu qualifizieren. Geöffnet seit diesem Wochenende, führt sie nun vor Augen, was Grünes Gewölbe, Rüstkammer, Gemäldegalerie, Münzkabinett, Kupferstichkabinett und Skulpturensammlung zum Thema zu bieten haben. Worauf sich ranggleiche Sammlungen von Berlin bis Madrid, von London bis Wien nicht verschließen wollten. „Selbstdarstellung und Selbstverständnis des Herrschers im Zeitalter der Reformation“, so der Untertitel der Ausstellung, ist mit gut 200 Objekten von denkbar üppig-sinnlichem Reiz dargeboten, sieht man von den kaum entzifferbaren Textschildern ab.
Mit schnellen Schritten
Aber schon das besonders vielsagende Bildzeugnis, das aus Amerika vom Toledo Museum of Art herüber kommt und allein schon die Reise nach Torgau rechtfertigt, gibt über „Luther“ im Titel der Ausstellung zu denken. In dem berühmten Gemälde Cranachs des Jüngeren, das Friedrich breitbeinig und in aller Leibesfülle im Kreis der Reformatoren zeigt, aber gespreizt vor sie gestellt, taucht Luther nur hinter seinem Rücken auf. Zu seiner Rechten, ganzfigurig, sieht man Melanchthon dozierend in der Rolle des Beraters. Tatsächlich ist Torgau Schauplatz einer fürstlichen Richtungsentscheidung, gegen die Luther letztlich erfolglos ankämpfte. Als vor dem Augsburger Reichstag 1530 Philipp, Landgraf von Hessen, ein militärisches Bündnis mit Johann Friedrich gegen den Kaiser anstrebte, argumentierte er, ebenso wie Melanchthon, gegen einen solchen Bruch gottgewollter Ordnung. Nachdem aber Karl V. in Augsburg den protestantischen Fürsten ein Ultimatum zur Unterwerfung binnen eines halben Jahres gesetzt hatte, konfrontierten in Torgau Johann Friedrichs Hofräte die Reformatoren mit einem Gutachten, das besagte, dass Gegenwehr gegen den Kaiser auch theologisch zu begründen sei. Melanchthon verfasste dazu eine gesichtswahrende Zustimmung. Der Weg war frei zum Schmalkaldischen Bund, den die Fürsten unter sich ausmachten.
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Die Ausstellung eilt denn auch in raschen Schritten zu den Verwicklungen des Kriegs, der als der Schmalkaldische bezeichnet wird – und der gut ein Jahr nach Luthers Tod in der Schlacht von Mühlberg mit Johann Friedrichs Gefangennahme endet. Da ist kaum ein Drittel des Ausstellungsparcours zurückgelegt, „Luther und die Fürsten“ also streng genommen schon kein Thema mehr. Und der Beginn des Rundgangs sieht sich – didaktisch begründet – zu einer eher allgemeinen Einführung in die Reformation genötigt.
Das gelingt kompakt mit symbolkräftigen Sachzeugen und hält sich zugleich an den Konsens: Es regnet Flugblätter über einer „Thesentür“ mit Luthers revolutionärem Text in Latein und Deutsch, dann folgt Kardinal Albrechts Aufruf zum Ablass zugunsten des Petersdoms (und seine perlenbestickte Bischofsmitra suggeriert seine Prachtliebe, ein Reliquienkästchen sein „Hallesches Heiltum“), während „Michelangelos Zirkel“ das römische Baugeschehen versinnbildlicht. Diese Einführung vertieft die Nebenausstellung in der „Alten Kanzlei“, die mit vielen beredten Stücken zur Reformation als Medienereignis und Verwaltungsakt und nicht zuletzt der „Kanzleisprache“ als Grundlage für Luthers Bibelübersetzung viel Interessantes beiträgt.
Die ganze Komplexität der wechselseitigen Beziehung von Fürstentum, Lutherischer Theologie und Staatsauffassung muss man sich aber aus dem Fortgang des Protestantismus als solchem erschließen, nicht einmal ein so handfester Vorgang wie Luthers „Schutzhaft“ auf der Wartburg ist angesprochen. Immerhin liest man im Katalogbeitrag des Historikers Heinz Schilling von Luthers Eigensinn auch seinem Landesherrn gegenüber. Im Zweifel rangiert der nach Gott, andererseits aber gilt die Reichsverfassung.
Sturmhaube und Lederstiefel
Mühlberg wird für die Fürsten beider Seiten zu einer Bühne der Selbstdarstellung. Einige der kostbarsten Exponate sind der Schlacht und ihrer nachfolgenden propagandistischen Verwertung zu verdanken: die adler-geformte Sturmhaube und der Prunkschild Karls V. (beides aus dem Königspalast Madrid), die Rüstungen Johann Friedrichs (aus Dresden), Moritz’ von Sachsen (aus Wien) und Karls V. (wiederum aus Madrid), nebst Waffen, Medaillen und Gewändern, bis hin zu dem einen überlieferten Lederstiefel Johann Friedrichs, der in Strümpfen in Gefangenschaft geführt wurde.
Die Ausstellung behält die Fürsten im Blick, verzweigt sich aber thematisch, zeitlich wie territorial, kommt auf den Calvinismus in der Kurpfalz und die Gegenreformation in Bayern zu sprechen, aber am Schluss, unter dem Titel der berühmten Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ schlägt sie noch einmal den Bogen zu Luther: Die Fürsten, so soll (unter vielem anderen) erzählt werden, bauten ausgehend von der Reformation eine neue Ordnung in ihren Territorien auf. Wer aus Versehen in diesem Saal die nicht zum Rundgang gehörende Tür öffnet, steht auf dem Flur des Torgauer Sozialamts, das auf der ehemaligen Beletage des Schlosses Platz gefunden hat: Luther, der die Armenfürsorge zu einer weltlichen Aufgabe erklärte, hätte dies sicher als Sieg seiner Lehre verstanden. Bis 31. Oktober, Di-So 10-18 Uhr, Katalog und Essayband, je 24 Euro. Umfangreiches Führungsprogramm sowie zahlreiche Angebote für Schulen. (mz)