«Außenseiter Spitzenreiter» «Außenseiter Spitzenreiter»: Aussteiger mit spitzen Bemerkungen

Berlin/Leipzig/dpa. - Plötzlich war er bei seiner eigenen Sendungder Außenseiter und nicht mehr Spitzenreiter: Fast 40 Jahre lang hatHans-Joachim Wolfram, der an diesem Freitag 78 Jahre alt wird, «dieälteste Unterhaltungssendung im deutschen Fernsehen» präsentiert: dieKuriositätenshow «Außenseiter Spitzenreiter». Er hat sie erfunden. Inder DDR ärgerte sie manche Staatsoberen, legte sie doch Mängel desSystems im Alltag offen. Ende 2011 kam für Wolfram der unfreiwilligeAbgang. Am Mittwochabend feierte seine Nachfolgerin Madeleine Wehle(44) Premiere. Von Zuschauern des MDR Fernsehens gab es Lob, vonihrem langjährigen Vorgänger jedoch Tadel.
«Natürlich habe ich es geguckt», sagte Wolfram derNachrichtenagentur dpa am Tag nach Wehles erster Sendung. Undkommentierte: «Das gestern alles war nicht unsere Stilistik.» Wehlesei eine Reporterin, die das «ganz in Ordnung» mache, aber er rechnemit keiner guten Zukunft für seine Sendung. «Ich glaube nicht, dassdas Fortbestand hat.»
Auf der Facebook-Fanseite sehen das Zuschauer anders: «tollgemacht Madeleine, hat mir sehr gut gefallen Deine 1. Sendung»,kommentierte ein Nutzer. «Respekt», urteilte ein anderer. «Sie kannes und zwar sehr gut - war locker und frisch gemacht.» DasTV-Urgestein Wolfram war auch manchem langjährigen Fan mit den Jahrenzu betulich geworden.
Er selbst sagte am Donnerstag, er habe ja eigentlich gar nichtmehr darüber reden wollen, wie schlimm er den Generationenwechselempfand - und tat es dann doch. Leider habe «Frau Wehle keineVerbindung» zu ihm aufgenommen, «bevor sie das Amt angetreten hat».Am meisten aber erzürnt ihn «die Programmpolitik des MDR». «Ich habemich geärgert, dass sie mir nach 40 Jahren nicht gestattet haben,Mitsprache bei der Nachfolge zu haben. Das war menschlich nichtfair.» Wolfram findet: «Die Zuschauer hätten bestimmen sollen, wer esmachen soll.»
Den Ablauf der vergangenen Wochen schilderte Wolfram so: «Ichhätte gerne im Juni meine 40 Jahre im Fernsehen vollgemacht, aberdann hatte ich im letzten Oktober ein erstes Gespräch mit dem neuenMDR-Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi. Ich habe ihm erzählt, dassich mir vorstelle, im Juni freiwillig zurückzutreten, weil ja dannauch irgendwann mal gut ist.» Doch dann sei kurze Zeit später einBrief gekommen, in dem das Aus für ihn bereits für den 14. Dezember2011 gestanden habe. Der Sender habe dann noch von ihm gewollt, dasser im Januar den Staffelstab an seine Nachfolgerin übergebe. «Dochdas empfand ich als so eine geschmacklose Sache, dass ich Nein gesagthabe. Ich sollte so tun, als wäre alles eine abgesprochene Sache undmusste in Wirklichkeit meine Mitarbeiter entlassen.»
Der MDR-Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi erzählt die Geschichteanders: «Ich habe am 5. Oktober mit Herrn Wolfram zusammengesessen,um mit ihm über "Außenseiter Spitzenreiter" zu reden. Ich habe ihmmitgeteilt, dass der Vertrag fristgemäß ausläuft und nicht verlängertwird.» Er habe Wolfram vorgeschlagen, eine gemeinsam gestalteteJubiläumsshow zu entwickeln, «um einen würdigen, ihn ehrendenÜbergang zu gestalten». «Das lehnte er allerdings ab, auch stand erfür eine Übergabe an Frau Wehle nicht zur Verfügung.»
Mit der ersten Sendung der neuen Moderatorin zeigte sich Jacobizufrieden. «Die Sendung ist gelungen, war witzig, frisch moderiert,der Look ist moderner und jünger geworden.» Und «das Wichtigste»:«Die Sendung kam bei den Zuschauern sehr gut an. Der Marktanteil lagsogar über den Durchschnittswerten der Sendereihe im Jahr 2011.» Erbetrug im Sendegebiet der Drei-Länder-Anstalt 7,9 Prozent - 330 000Menschen schauten zu.