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«Artern - Stadt der Träume» «Artern - Stadt der Träume»: Hollywood in Nordthüringen

Von Jörg Biallas 05.02.2003, 16:37

Artern/MZ. - Seine Frau Friede nickt: "Wir brauchen Arbeit für die Jüngeren, man hofft doch immer wieder." Viel mehr als Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist den 6 750 Einwohnern nicht geblieben. Es fehlt an Investoren. "Aber warum", fragt Dietrich Sieler, "sollten die ausgerechnet zu uns kommen?" Vielleicht wegen einer neuen MDR-Fernsehserie mit dem blumigen Titel "Artern - Stadt der Träume", die am Donnerstag erstmals ausgestrahlt wird. Denn damit könnte Artern bundesweit bekannt werden. So bekannt wie Ende der 90er Jahre, als die Stadt mit einer Arbeitslosen-Spitzenquote von 32,7 Prozent für Aufmerksamkeit sorgte. Auch bei der Produktionsfirma Endemol, die mit dem umstrittenen TV-Experiment "Big Brother" berühmt geworden war. Endemol suchte also damals eine Stadt für eine Dokumentationsreihe, eine so genannte Doku-Soap, und landete in Artern. Inzwischen sind die ersten Teile der Serie abgedreht. Es geht um die Stadt und die Menschen, die in ihr leben.

Einer davon ist Klaus Schmölling. Er ist so etwas wie ein Original in dem Ort, in dem er geboren wurde, aufgewachsen ist, gearbeitet hat und nun alt wird. Jeder hier kennt den 67-jährigen leidenschaftlichen Heimatforscher, der wie kein anderer Geschichte und Geschichten aus Artern erzählen kann. Sein Tagesablauf ist fast immer gleich: Morgens radelt er auf seinem alten Damenfahrrad, den Dederon-Beutel am Lenkrad und Passanten freundlich grüßend, in die Gaststätte Münx zum Frühstück. "Weil es dort das beste Hausgeschlachtete gibt". Anschließend wechselt Klaus Schmölling das Lokal, um den Tag im Passagen-Café zu verbringen. Neuerdings trifft er sich hier auch mit den Journalisten. "Von überall her", sogar aus Frankreich und Italien sind sie gekommen, um den Laien-Mimen zu befragen. In dem kleinen Café herrscht dann Ausnahmezustand. Kamerateams und Fotografen, Scheinwerfer und Mikrofone. Die anderen Gäste flüchten aufgeregt. Nur Frau Anja, wie der Stammgast die Kellnerin liebevoll nennt, bleibt gelassen: "Ihr Kaffee, Herr Schmölling, wie immer", nämlich mit doppelt Milch. Nein, längst nicht alle sind von dem Fernsehprojekt begeistert. "Vielleicht die Hälfte ist dafür." Klaus Schmölling weiß, wie die Arterner denken: "Die Filmleute sind Wessis, und Wessis sind grundsätzlich böse." Völliger Unsinn! Klaus Schmölling schüttelt den wuchtigen Kopf. Er glaubt, das Projekt könnte "auf Dauer ein paar Prozent weniger Arbeitslose" bringen. Dafür arbeitet Endemol mit der Standortpool AG zusammen, die Investoren anlocken soll.

Ob die Arbeit erfolgreich ist, bezweifeln viele Arterner. Denn die vor Monaten gepriesenen Perspektiven haben bisher kein Ergebnis gezeitigt. Auch für Klaus Schmölling hat sich die Filmerei finanziell noch nicht ausgezahlt: "Ich habe bisher keinen Vertrag." Aber sein Sohn, der Andreas, macht jetzt das Buch zum Film. So ist's abgemacht.

Am Ortsausgang arbeiten zwei Männer bei eisiger Kälte im Straßengraben. Wie sie das Filmprojekt finden? "Aber ab, mache dich heeme, sind doch hier nich' im Zoo."

"Stadt der Träume", MDR, 14-tägig donnerstags, 19.50 Uhr