Arnulf Baring bei "Maischberger" Arnulf Baring bei "Maischberger": Merkel im Umgang mit Putin "von allen guten Geistern verlassen"

„Sie haben eine völlig perverse Sichtweise.“ Auch wenn Arnulf Baring seine Ansicht über die Ausführungen von Gabriele Krone-Schmalz zurücknahm und der Historiker sowieso für das überspitzte Wort in Talkshows bekannt ist: Sein kleiner Ausbruch verdeutlicht, wie emotional inzwischen über die Ukraine und Russland in der Öffentlichkeit debattiert wird.
„Zar Wladimir I. – Was will Putin wirklich?“, fragte Sandra Maischberger in ihrer Sendung am späten Dienstagabend. Friedenspläne scheitern, die Rhetorik wird unmissverständlicher. Die Kontroverse der Teilnehmer war programmiert, zwei der Diskussionsteilnehmer waren an diesem Abend aber besonders auf Konfrontationskurs.
Historische Erklärung
Ist Putin ein Dämon, der an alte Zeiten anknüpfen und das ausgefranzte russische Reich wieder herstellen will? Eine Frage der historischen Narrative sei das, meint der Schweizer Botschafter und ehemalige OSZE-Sondergesandte für die Ukraine Tim Guldimann. Er habe zwar kein „Verständnis für“ Putin, aber ein „Verständnis von“. Von Napoleon bis zum Nationalsozialismus habe Russland eine gewisse historische Erfahrung mit dem Westen gemacht. Die Frage sei auch nicht, ob sich Russland zu Recht bedroht fühle, sondern die Tatsache, dass es sich bedroht fühle. Minsk I und II zeigen aber, es gebe eine grundsätzliche Bereitschaft aller Beteiligten, weiter auch diplomatisch zu verhandeln.
Anders sieht das in gewohnter Deutlichkeit Arnulf Baring. Der Historiker will die alten Methoden des kalten Krieges aufwärmen. Als Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts sei er zwar nicht für eine militärische Auseinandersetzung, aber diese kategorisch auszuschließen hält er für einen taktischen Fehler. Mit ihrem absoluten Gewaltverzicht sei die „Kanzlerin von allen guten Geistern verlassen“.
„Ein schlechter Frieden ist besser als ein guter Krieg“, sagt dagegen Ivan Rodionov, Chefredakteur von "RTDeutsch", dem deutschsprachigen Programm des russischen Staatsfernsehens. Die Kriegsmoral sei auf Seiten der Milizen höher, sagt er und zog einen Vergleich zum Vietnamkrieg.
Die ehemalige Piratenpolitikerin Marina Weisband schüttelt den Kopf. Putin will die Ukraine destabilisieren, meinte die gebürtige Ukrainerin. Würde man Russland entgegenkommen und die Verschiebung der Grenzen akzeptieren, würden weitere Auseinandersetzungen an den Grenzen Russlands folgen.
Krone-Schmalz ist empört
Besonders beharkten sich an diesem Abend die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz und der Grünen-Politiker Werner Schulz. „Könnten Sie vielleicht Ihren Intellekt aktivieren?“ Die Buchautorin des Bestsellers „Russland verstehen“ erhob sich zwischendurch vom Platz, hätte fast die Sendung verlassen. „Das Niveau der Diskussion erschüttert mich zutiefst.“ Auch mit der Moderatorin ist sie unzufrieden.
Krone-Schmalz sieht eklatante Versäumnisse auf Seiten des Westens. Putin habe in seiner ersten Amtszeit die Hand gereicht, der Westen habe mit Nato-Osterweiterung und rhetorischer Abschätzigkeit reagiert.
Schulz hält dagegen: Putin wolle eine „eurasische Union“ aufbauen. Aufnahme in G8, die Partnerschaften seien von russischer Seite aus gescheitert. Nach der gefälschten Duma-Wahl habe Putin in der Bevölkerung eine Unruhe und demokratische Bedürfnisse gespürt und seine Taktik geändert. Die konstruierte Bedrohung des Westens habe die Bevölkerung wieder enger zusammenrücken lassen.
Wie der Westen auf einen Aggressor Putin reagieren soll, falls die diplomatischen Verhandlungen am Ende tatsächlich scheitern, konnte auch an diesem Abend nicht geklärt werden.

