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Argentinien Argentinien: Junge Musiker revolutionieren in Buenos Aires den Tango

Von Sebastian Hofer 18.04.2005, 06:25
Solange Chapperon (25) und der Tanzlehrer Gonzalo Orihuela (24) bewegen sich im Club «Experimental Tango Arte» in Buenos Aires zu den Klängen des Electrotango, einer neuen Musikrichtung, bei der klassische Tango-Elemente mit Samples, elektronischen Klängen und Trip-Hop-Beats gemischt werden (Foto vom 11.03.2005). Das Paar übt seine Choreografie für die kommende Electro-Milonga. «Milonga» ist die Bezeichnung für die bisher eher altehrwürdigen Tango-Tanzsalons in Buenos Aires. Die spezielle Electro-Milonga gibt es erst seit drei Monaten. (Foto: dpa)
Solange Chapperon (25) und der Tanzlehrer Gonzalo Orihuela (24) bewegen sich im Club «Experimental Tango Arte» in Buenos Aires zu den Klängen des Electrotango, einer neuen Musikrichtung, bei der klassische Tango-Elemente mit Samples, elektronischen Klängen und Trip-Hop-Beats gemischt werden (Foto vom 11.03.2005). Das Paar übt seine Choreografie für die kommende Electro-Milonga. «Milonga» ist die Bezeichnung für die bisher eher altehrwürdigen Tango-Tanzsalons in Buenos Aires. Die spezielle Electro-Milonga gibt es erst seit drei Monaten. (Foto: dpa) dpa

Buenos Aires/dpa. - Diese spezielle Electro-Milonga gibt es erst seit vier Monaten.Betrieben wird sie von fünf Freunden, sie sind gerade einmal über 20.Aber auch traditionelle Milongas können sich kaum noch gegen denneuen Trend wehren und haben die Songs von «Bajofondo», «Ultratango»oder «Tanghetto» im Programm, meist in den frühen Morgenstunden.«Keine Frage, Buenos Aires erlebt zurzeit eine Explosion desElectrotangos», sagt Max Masri von der erfolgreichen Band«Tanghetto».

Wer die Calle Florida, die bekannteste Einkaufsstraße im Zentrumder Millionenmetropole, entlangläuft, wird alle paar Meter mit TangoElectrónico aus den zahlreichen Plattenläden beschallt. Dieexperimentierfreudigen Musiker werden inzwischen als Popstarsgefeiert, mit goldenen Schallplatten ausgezeichnet und das Projekt«Bajofondo Tango Club» erhielt 2003 den Latin Grammy für das «BestPop Instrumental Album».

«Es war im Prinzip das, worauf alle gewartet haben», erzähltCarlos Libedinsky, Mastermind des Projekts «Narcotango». Schon seitJahren erlebt der Tango ein Comeback gerade auch bei jungen Leuten.«Die neue Tänzergeneration hat viel mit den Bewegungen des Tangoexperimentiert und ihm ganz neue Elemente hinzugefügt, ihnrevolutioniert. Aber sie tanzten zu der gleichen Musik wie ihreGroßeltern. Das passte irgendwie nicht», erzählt Carlos.

Also fing Carlos, der bis dahin klassischen Tango gespielt hatte,im Jahr 2000 an, zu experimentieren. Ließ sich von «Massive Attack»,Björk oder Tom Waits beeinflussen, deren Musik eine ähnlich dichteund dunkle Atmosphäre hat wie der Tango. Die Kreationen des 43-Jährigen stießen bei den DJs der Milongas jedoch zunächst auf totaleAblehnung. Die Musik blieb ein Geheimtipp unter Tango-Musikern. Erstals «Bajofondo» 2003 von einer großen US-Plattenfirma unter Vertraggenommen wurde, kam die Lawine ins Rollen.

Trotz des Erfolgs bei jungen Leuten ist Electrotango keine simpleDiscomusik. Die großen Bands bestehen aus Musikern mit einerklassischen Tangoausbildung. Bei den Konzerten stehen sie zu siebtoder zu acht auf der Bühne, mit Computer, Synthesizern undPlattentellern, aber eben auch mit Bandoneon, Geige und Kontrabass.Die Songs wirken sehr durchdacht und ausgefeilt, sind sehr emotionalund tiefgründig. «Electrotango, das ist der Tango wie er heute seinmuss,» ist sich Carlos sicher.

Sogar der klassische Tango profitiert von seinem elektronischenEnkelkind. «Diese Musik ist für viele junge Leute der erste Schrittzum klassischen Tango», sagt Masri, einer der beiden Köpfe von«Tanghetto». Die Milongas sind inzwischen voll von Jugendlichen, sielieben den Tanz und identifizierten sich mit der Musik ihrerVorfahren.

Dennoch verweigern einige Verfechter der alten Tangoschule denjungen Künstlern die Anerkennung. Carlos nennt sie Taliban: «Dienutzen jede Gelegenheit, unsere Musik als importierten Dreck zubezeichnen. Aber so ist es immer, wenn etwas Neues entsteht. Es gibtLeute, die ihr Revier verteidigen wollen.»

Doch Carlos lässt sich davon nicht beeindrucken und der Erfolggibt ihm recht. Im Herbst kommt «Narcotango» sogar für 15 Konzerteerstmals nach Deutschland. «Für mich ist es ein absoluter Glücksfall,dass jetzt gerade die Zeit ist, in der ich mich in einer Musikausdrücken kann, die zugleich mich und noch so viele andere Menschenbewegt. Das gibt mir das Gefühl, genau zur richtigen Zeit auf diesemPlaneten zu leben.»