Argentinien Argentinien: Hitler als Transe beim Kartoffelschälen

Buenos Aires/dpa. - Er ist einer der Organisatoren der Ausstellung «Berlin Buenos Aires Art X Change2007», die im Oktober einen Querschnitt über die Künstlerszene der beiden Metropolen im Centro Cultural de Recoleta in derargentinischen Hauptstadt zeigte. Dennoch war die Schau ein großer Erfolg. «Allein zur Eröffnung kamen 1000 Besucher, und wenn man die35 000 bei der Langen Nacht der Museen mitzählt, haben über 40 000Leute die ArtXChange gesehen,» schätzt Walth.
Fotografien von Marcel Steger etwa waren für viele Argentiniergewöhnungsbedürftig. Seine Bilder stellen Grenzüberschreitung,Provokation und Spiel mit der Geschlechterwahrnehmung dar. Nackteoder bizarr verkleidete Frauen und Männer posieren pornografisch oderpolitisch brisant, wie ein nachdenklich am Küchentisch sitzenderTransvestit mit Bauermädchenkleid, Seitenscheitel undHitler-Schnäuzer. Das Bild einer Erektion strich die argentinische Direktorin des Museums noch vor Ausstellungsbeginn aus dem Programm: «Wohl aus Angst vor Protesten konservativ-religiöser Gruppen» vermutet Walth. Die Fotografien verschreckten aber nicht alle Besucher: «Ein älterer Mann fragte, ob er auch Modell stehen könne.»
1100 Quadratmeter Ausstellungsfläche in nur 7 Räumen verlangtenKompromissbereitschaft von Künstlern wie Eve Hurford, Steger oder der Gruppe bauhouse. Die Ausstellung war eine Folgeveranstaltung der Schau «notango» in der Berliner «Villa Elisabeth» 2004, die den Schwerpunkt auf Kunstschaffende aus Buenos Aires gelegt hatte. Dudu von Thielmann und Holger Volland traten jeweils als Kuratoren auf und stellten nun Gegenwartskünstler aus Berlin in den Mittelpunkt, dieihre Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Design, Illustration,Malerei, Video-Performance und Kurzfilm präsentierten.
Während er sich mit dem Publikumsandrang zufrieden zeigte,zwangen die Räumlichkeiten zu ungewöhnlichen Einfällen bei derPräsentation der 70 Werke von 25 Künstlern. So fand sich etwa für diegrellbunte Collage des argentinischen Modedesigners und Malers Diegode Aduriz keine ausreichend große Wand. «Also habe ich die Collagezerschnitten und in einem Rundbogen angebracht», erzählt der Künstlergut gelaunt. Seine deutschen Kollegen konnten der Raumknappheit undtechnischen Organisation weniger abgewinnen. «Der Stress beginnt hierimmer erst 5 Minuten vor der Präsentation», bemerkte ClemensWittkowski von bauhouse.
Auch Eve Hurford musste mit ihrer Video-Installationimprovisieren. «Jeder kämpfte zu Anfang um einen Raum, und ich fanddiesen Durchgang mit der Brücke und der Tür.» Als«3-word-4-dimension-poem» beschreibt die in Berlin lebende Künstlerinihre Arbeit: «Ich ordne die Wörter zunächst nach Bedeutungsgruppenund dann in zeitliche Abfolgen.» Drei Diaprojektoren werfen jeweilsein Wort an die Wand wie «Change», «is», «perfomance», worausAugenblicke später «Change» «is» «boring» entsteht. Ein vierterProjektor bildet mit einem Endlos-Flug durch Himmelswolken denHintergrund. Horfurd arbeitete bereits mit Installationen in denBerliner Clubs «103» und «WMF». Zur Langen Nacht der Museen in BuenosAires zeigte sie an den Außenmauern eines Turmes Lichtcollagen vongraffiti-besprühten Wänden.
Eine weitere Video-Ton-Präsentation fand sich in einerverdunkelten Halle. Dort war Yul Brunners durchdringender Blick zuneuem Leben erwacht. Der Betrachter der Video-Sound-Performance wirdin dessen Bann gezogen, wenn Brunner in einer scheinbarenEndlos-Schleife aus dem Film «Westworld» als Roboter-Cowboy einendunklen Gang entlang schreitet. Seine Schritte geben den Takt fürdröhnende Schläge aus den Boxen vor. Schrille Geräusche undhalbsekündliche Einblendungen von Logos bekannter US-Ölkonzerne,später eine barbusige Marylin Monroe und ein Tanzballett aus LasVegas unterbrechen den hämmernden Rhythmus, bevor Yul Brunner seinenmechanischen Gang von neuem beginnt.
«Die Maschine läuft und die Maschine braucht Öl und will gefüttertwerden», erklärt Fabian Grobe von bauhouse aus Berlin den Beitragseiner Gruppe zur ArtXChange. «Die politische Botschaft wirdnatürlich mit transportiert», ergänzt sein Kollege ClemensWittkowski. Das Duo arbeitet seit 1985 zusammen, hat sich anfangs aufSound-Visualisierungen in der Techno-Szene spezialisiert undproduziert mittlerweile auch Werbeclips für deutscheAutohersteller.