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ARD-Markencheck ARD-Markencheck: Schmutzige Jeans-Wäsche

Von David Freches 16.09.2014, 06:36
Viele Arbeiter in chinesischen Produktionsstätten kassieren nur einen Hungerlohn und arbeiten ohne Schutzausrüstung mit gesundheitsschädlichen Chemikalien. Hier ein Foto aus einer Näherei in Ecuador.
Viele Arbeiter in chinesischen Produktionsstätten kassieren nur einen Hungerlohn und arbeiten ohne Schutzausrüstung mit gesundheitsschädlichen Chemikalien. Hier ein Foto aus einer Näherei in Ecuador. REUTERS Lizenz

Köln - Wohl kein anderes Kleidungsstück ist weltweit so massentauglich und immer noch so beliebt wie die Jeans. Die ehemaligen Bauarbeiterhosen gibt es in allen Formen, Größen und Farben. Aber sind teure Jeans auch immer die Besten? Das zu klären war die Aufgabe der Macher beim Markencheck im Ersten, die dazu je zwei Jeans von billigen sowie je zwei von höherpreisigen Herstellern genauer untersuchten. Die preisgünstigen Marken Kik (10 Euro) und H&M (40 Euro) traten gegen die teuren Jeans von G-Star und Levi’s (jeweils 100 Euro) an. Bei jeder einzelnen Jeans standen Look, Qualität sowie die Fairness bei den Produktionsbedingungen auf dem Prüfstand. Zu jedem dieser drei Kriterien fällte das ARD-Team jeweils ein abschließendes Urteil.

Bei Kik liegen auch Modeexperten daneben

Den Start machte der Look der Jeans. Hier kam es vor allem auf die Passform an. An mehreren normalgebauten männlichen und weiblichen Testpersonen saßen Hosen (jeweils in Einheitsgrößen) zum Teil komplett unterschiedlich - aber nicht immer so wie es der Kaufpreis erahnen ließ. Die Jeans von Kik passten sowohl Männern als auch Frauen gut. G-Star-Jeans fielen für die Männer schlechter aus, die Hosen von Levi’s passten den Frauen nicht dem Preis entsprechend. Dass Billigjeans von Kik also so einen schlechten Ruf haben, ist bezogen auf den Look nicht nachvollziehbar.

Das bestätigten auch vermeintliche Experten auf einer Modemesse in Berlin. Sie bekamen die Jeans vorgelegt, ohne die Marken zu kennen. Anschließend sollte der Preis der jeweiligen Hosen geschätzt werden. Ginge es nach einigen der Ausstellern, müsste man für die Billigjeans locker ein Vielfaches zahlen - sie schätzten den Preis von Kik auf 100 Euro und von H&M auf 120 Euro. Teilen der Modeexperten war diese Fehleinschätzung so peinlich, dass sie sich selbst nur verpixelt im Fernsehen sehen wollten.

Levi’s hält, was der Mythos verspricht

Danach prüften die Macher die Qualität. Welche Belastungen halten die Jeans aus und wie verändern sie sich durch mehrmaliges Waschen? Hier lieferte der Markencheck sehr vorhersehbare Ergebnisse. In einem Labor wurde die Qualität der Hosen in puncto Verfärbung und Materialverschleiß beim Scheuern und Waschen getestet. Die Markenjeans schnitten in allen Punkten deutlich besser ab als ihre preisgünstigen Artgenossen.  

Im Anschluss wurde es tierisch: Besitzer von Levi’s Jeans wissen, dass das Logo der Marke zwei Pferde zeigt, die in entgegengesetzte Richtungen laufen und dabei eine zwischen ihnen gespannte Levi’s Jeans zu zerreißen versuchen. Mit dem Mythos der unzerstörbaren Jeans hat Levi’s in der Vergangenheit sogar das eigene Produkt beworben. Genau diesen Test mussten alle Jeans über sich ergehen lassen.

Auch hier ist das Resultat keine wirkliche Überraschung: Die Billighosen rissen in Sekundenschnelle, während die Pferde bei G-Star und Kik deutlich mehr Kraft aufwenden mussten und 12 beziehungsweise 15 Sekunden brauchten. Fazit zur Qualität: Levi’s hält, was der eigene  Mythos verspricht und Qualität setzt sich eben doch durch.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Jeans unter erschreckenden Bedingungen gefertigt werden und warum die ARD sich einen Einspieler lieber gespart hätte.

Mängel in allen Produktionsstätten

Der ethisch betrachtet interessanteste Punkt im Markencheck war die Fairness bei den Produktionsbedingungen. Dazu wandte sich das ARD-Team direkt an die Hersteller, um herauszufinden, wo genau die Jeans produziert werden und unter welchen Bedingungen die Angestellten in den jeweiligen Unternehmen arbeiten.

Alle Firmen attestierten vorher, dass sie faire Löhne zahlten, die Jeans für den “Used-Look” ohne Chemikalien bleichen und Wert auf die Sicherheit der Mitarbeiter in den Produktionsstätten legen. Warum dann allerdings nur G-Star eine konkrete Adresse nannte, blieb offen. Die anderen Marken gaben nur das Herkunftsland an.

Da alle Marken in China produzieren, flogen die Reporter dorthin und machten sich selbst auf die Suche. Was sie herausfanden, bestätigt ein trauriges Klischee: In mehreren getesteten Fabriken kassieren die Arbeit nicht mal 20 Cent pro Stunde, leben unter unhygienischen Zuständen auf Mehrbettzimmern zusammengepfercht und von ihren Familien getrennt. Zudem entdeckte das Team auch fast jedes Mal, dass Chemikalien sehr wohl zum Einsatz kommen - wenn ihnen der Zutritt zu den Produktionsstätten überhaupt gewährt wurde.

Zum Bleichen wird meist Kaliumpermanganat oder Sandstrahlung eingesetzt. Beides ist stark gesundheitsschädlich. In vielen Fällen hatten die Arbeiter jedoch ohne jegliche Schutzausrüstung Kontakt mit eben diesen Bleichmitteln.

Resignation als Fazit

Diese Missstände entdeckte das ARD-Team bei Produzenten von G-Star und Kik. Die anderen Hersteller dürften ähnlich produzieren lassen, deren Produktionsstätten waren aber nicht auffindbar. Schlechte Arbeitsbedingungen sind also vom Preis unabhängig.

Fazit: Während die ersten beiden Kriterien mehr (Qualität) oder weniger (Look) erwartbar waren, sorgt besonders der letzte Punkt für ein schlechtes Gefühl. Aber was tun, wenn sogar der Preis keinen Einfluss darauf hat? Direkt nach Ende des Markenchecks bleibt erst einmal nur Resignation. Die Produktionsbedingungen in China werden sich, wenn überhaupt, wohl erst verändern, wenn die Textilindustrie Jeans irgendwo auf der Welt noch billiger produzieren kann - und das sehr wahrscheinlich zum Leidwesen der dortigen Arbeitnehmer.

Hochnotpeinlicher Cowboy-Einspieler

Sparen können hätte die ARD sich den hochnotpeinlichen Einspieler, mit dem sie zum Pferde-Test überleitete. Mehrere als Cowboy verkleidete Männer sollten darin für Saloon-Atmosphäre sorgen, das Bild wurde für kurze Zeit schwarz-weiß. Dieser Klamauk machte den Markencheck aber weder unterhaltsamer, noch hatte er irgendeinen Mehrwert für den Zuschauer. Besonders, wenn es nur wenige Minuten danach um die Ausbeutung der chinesischen Fabrikarbeiter geht. Das war schlicht daneben.