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Archäologie Archäologie: Ägypten fordert Nofretete offiziell zurück

Von Anne-Beatrice Clasmann und Esteban Engel 24.01.2011, 08:49
Nofretete-Büste aus dem Ägyptischen Museum in Berlin. (FOTO: DPA)
Nofretete-Büste aus dem Ägyptischen Museum in Berlin. (FOTO: DPA) dpa

Kairo/Istanbul/Berlin/dpa. - Sie ist die heimliche Herrscherinüber die Berliner Museen: Mit ihrem feinen aristokratischen Lächelnthront Königin Nofretete auf der Museumsinsel und zieht jedes JahrHunderttausende in ihren Bann. In dem vor etwas mehr als einem Jahrwieder eröffneten Neuen Museum ist sie der Dreh- und Angelpunkt derÄgypten-Schau. Wenn nun wie alle paar Monate Zahi Hawass als obersterArchäologe in Kairo die Rückgabe fordert, weiß er auch: Er stößt inBerlin damit auf eine dichte Mauer aus rechtlichen und historischenArgumenten.

Doch nicht nur die Rechtslage ist entscheidend. DieVerantwortlichen in Berlin wissen, dass es nicht die fürWissenschaftler oft sehr interessanten Tontafeln oder Grabbeigabensind, die große Besucherströme in ihre Museen lenken, sondernPrachtstücke wie die Nofretete-Büste, das Ischtar-Tor aus Babylon unddie Bogazköy-Sphinx aus der Türkei. Deshalb, aber zum Teil auchaus konservatorischen Gründen halten sie um jeden Preis an ihrenPublikumsmagneten fest.

Auch jetzt lassen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dieBundesregierung am Besitz der mehr als 3300 Jahre alten Büste nichtrütteln. Nofretete sei 1913 im Rahmen einer Fundteilung rechtmäßigdurch die Deutsche Orientgesellschaft und später durch denpreußischen Staat erworben worden. Dies sei mit Dokumentenzweifelsfrei belegt, beteuert man in Berlin. Hawass hält daran fest,dass Ludwig Borchardt, der die Büste der Gattin von Pharao Echnaton1912 in Tell al-Amarna ausgegraben hatte, die Verantwortlichen inKairo - damals die französische Kolonialverwaltung - hinters Lichtgeführt habe.

Das Nachsehen in diesem Kleinkrieg haben heute die deutschenArchäologen, die bei ihren Ausgrabungen mit den Verantwortlichen inden Behörden der Staaten, in denen sie forschen, zusammenarbeitenmüssen. Denn dies sind die gleichen Behörden, die die vorJahrzehnten abtransportierten Fundstücke zurückfordern.

Im Irak ist man zwar gegenwärtig sicher froh, dass das berühmteblaue Tor aus Babylon in Berlin in Sicherheit ist, da diearchäologischen Stätten des Landes nicht wirksam vor Plünderung undVerfall geschützt werden. Doch in Ägypten, wo Zahi Hawass demnächstzwei große neue Museen mit aufsehenerregenden Funden bestücken will,sieht es anders aus.

Das Argument, die Nofretete wäre dort vielleicht nichtsicher, empfindet Hawass als Beleidigung, obwohl erst kürzlich mittenam Tag ein Van-Gogh-Gemälde aus einem Kairoer Museum geraubt wurde.Bislang haben die ägyptischen Behörden die deutschen Archäologen, diein ihrem Land forschen, zwar nicht direkt in den Nofretete-Streithineingezogen. Doch das Beispiel der Türkei zeigt, dass man sichnicht unbedingt darauf verlassen kann, dass dies für immer so bleibt.

Die türkischen Behörden hatten im Streit um die sogenannte Sphinxvon Bogazköy bereits mehr als einmal Grabungslizenzen nicht erteilenwollen, um die Deutschen dadurch zur Rückgabe der Figur aus derHethiter-Hauptstadt Hattuscha zu zwingen. Im Ersten Weltkrieg warenzwei steinerne Sphinx-Figuren aus Hattuscha nach Berlin gebrachtworden, wo sie restauriert werden sollten. Eine der beiden Figurenkehrte später zurück in die Türkei, die zweite Figur blieb in Berlin,wo sie bis heute im Pergamonmuseum zu bestaunen ist.

Aus Sicht von Experten sind die Ansprüche der Türken auf dieSphinx allerdings rechtlich gesehen besser nachvollziehbar als dieForderung der Ägypter. Denn die hälftige Fundteilung entsprach, alsLudwig Borchardt die Nofretete nach Deutschland brachte, dem damalsin Ägypten geltenden Recht.