Barfuß am Klavier Annenmaykantereit Konzert in Leipzig in Leipzig sorgen für eine ausverkaufte Arena Leipzig

Leipzig - „Abgesehen von den Festivals – das ist das größte Konzert, das wir bisher gespielt haben. Wir sind ein bisschen aufgeregt.“ Der 27-jährige Henning May, dessen tiefe, raue Stimme ein ganz wesentlicher Grund für den Erfolg der Singer-Songwriterband Annenmaykantereit ist, wird noch häufig über den nun stattfindenden Ruhm nachdenken dürfen.
12.000 sind am Sonntagabend in die Arena Leipzig gekommen, ausverkauft. Auf der Bühne wehen unzählige Papierblätter im Wind, zusammen bilden sie die Videoleinwand, die Natur- und Liveaufnahmen zeigt. Das Ganze wirkt schön minimalistisch und angenehm passend.
Eben war May noch mit seinen Jungs (Christopher Annen und Severin Kantereit) als Straßenmusiker unterwegs, 2011 fand man sich zu Schulzeiten in Köln zusammen. Ein eigener Youtube-Kanal und lebensfrohe melancholische Kammerpoprock-Ohrwürmer folgten: „Wohin du gehst“, „Barfuß am Klavier“, „Oft gefragt“.
Annenmaykantereit begeistern in Leipzig ein vielschichtiges Publikum
In den Songs geht es um die Verlustängste der Eltern, um die Identitätssuche der Jugend, um zerbrechende Freundschaften und Entfremdungserfahrungen. Und um die Liebe, an der man freilich genüsslich oft vorbeirauscht. Tatsächlich können spannungsreiche Lieder wie „Pocahontas“, „21,22,23“ oder „Marie“ auch eine Mehrzweckhalle, die sich aus den verschiedensten sozialen Schichten zusammensetzt, zum Kochen bringen.
Ska, Soul, Folk und Indie. Wenn May verkündet, dass er heute ein T-Shirt vom antifaschistischen Fußballverein Roter Stern Leipzig trägt und es sowohl Jubel als auch Pfiffe gibt, deutet das auf ein heterogenes Publikum hin. Schwierig wird es aber an anderen Stellen, die Kleidungswahl ist das geringste Problem, denn fernab der musikalischen Sternstunden gibt es bei Annenmaykantereit eine Menge einfacher Popmelodien und schlechter Poesie, die dann doch die Frage aufwerfen, wo genau sich die Band die nächsten Jahre aufzuhalten gedenkt.
Annenmaykantereit stellen in Leipzig Album „Schlagschatten“ vor
Auch auf dem neuem Album „Schlagschatten“ gibt es Songs, wie beispielsweise „Alle Fragen“, die sich nicht die Mühe machen, schillernd doppeldeutige Beschreibungen zu finden. Von hier aus ist der Weg zum industriell gefertigten Massenpop extrem kurz.
Dann wiederum gelingt mit dem politischen Song „Weiße Wand“ eine hypnotisch schmerzliche Nummer, die das Fremdsein im eigenen Land mit solchen Zeilen ausdrückt: „Und ich schau' mir die Schlagzeilen an / Und irgendwas hat sich eingebrannt / Flüchtlingskrise fühlt sich an wie Reichstagsbrand / Auch wenn ich das nicht vergleichen kann.“
Die Straßenmusiker Annenmaykantereit füllen nun die Mehrzweckhallen der Republik. Spannend zu sehen, wohin die Reise geht. In Leipzig ist schon nach gut 100 nüchternen Minuten Feierabend. Verausgabung sieht anders aus. (mz)